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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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erschöpft und müde und fühlte sich gebeutelt an Körper,
Geist und Seele. Der Coroner musterte
ihn.    
    »Für dich gibt's nur eins, mein
Junge«, sagte er dann. »Sir John Cranstons übliches Heilmittel für
die Beschwerden des Geistes und des Körpers.«
    Und er schob den Ordensbruder in die
dunkle, gastliche Wärme einer Schenke an der Ecke. Mit seiner
kraftvollen Stimme und seiner Autorität als Justizbeamter des
Königs hatte er bald für sie beide ein Plätzchen bei den
übereinandergestapelten Weinfässern gefunden, und unverzüglich
wurden zwei große Becher Rotwein und eine Schüssel mit würzigem
Entenfleisch gebracht. Cranston meinte, das Fleisch könnten sie
sich teilen, aber Athelstan schüttelte nur den Kopf; gierig trank
er von seinem Wein und genoß die süße Wärme. Bald hatte er den
Becher leergetrunken, und Cranston bestellte einen neuen. Behutsam
nahm er ihm die Pergamentblätter ab, die Athelstan noch immer fest
umklammert hielt. Der Coroner betrachtete sie aufmerksam und
brüllte dann nach einer Kerze, damit er sie eingehender studieren
konnte.
    »Beim Hinterteil einer Fee,
Athelstan, was ist denn so furchterregend daran? Schmierige gelbe
Seiten aus einer Kirchenakte.«
    »Das war es nicht, Sir John.«
Athelstan lehnte sich blinzelnd zurück; er hatte seinen Wein zu
schnell getrunken, und jetzt war ihm ein bißchen schwindlig. »Hat
Fitzwolfe dich bedroht?«
    »In gewisser Weise ja.«
    Und Athelstan schilderte kurz, was
er in der Kammer gesehen und gefühlt hatte. Als er fertig war, tat
Cranston einen mächtigen Rülpser und schmatzte.
    »Komische Leute, diese Priester«,
stellte der Coroner fest und warf Athelstan einen Seitenblick zu.
»Sie erfahren Geheimnisse. Sie verdrehen das Gute, um selbst Macht
zu erlangen. Nicht alle, aber einige. Manche werden habgierig und
häufen Reichtümer auf, manchen gefällt es, zwischen die Bettlaken
anderer Männer zu schlüpfen. Und eine kleine Zahl von ihnen strebt
nach etwas Größerem: nach magischer Macht.«
    »Sir John«, unterbrach Athelstan,
»ich weiß, was ich in dieser Kammer gesehen und gefühlt
habe.«
    »Vielleicht. Aber ich bin schon den
besten Zauberern begegnet, Athelstan. Ich weiß, was sie zuwege
bringen können, mit Kräutern und Kerzen aus seltsamen Substanzen.
Wie der Psalmist schon sagt: ›Es gibt nichts Neues unter der
Sonne.«‹ Er tätschelte Athelstan die Hand. »Sicher, Fitzwolfe
könnte ein Satansanbeter sein, aber ich habe den Verdacht, er ist
bloß ein Gaukler.«
    Athelstan seufzte und rieb sich das
Gesicht mit beiden Händen.
    »Nichts ist besser als der alte
Cranston«, murmelte er, »wenn man mit beiden Beinen wieder fest auf
den Boden kommen will.« Er schob den Weinbecher von sich. »Den müßt
Ihr austrinken. Wir müssen noch nach Blackfriars, und ich möchte
nicht, daß der Großinquisitor mich für einen Trunkenbold
hält.«
    »Bei den Eiern des Teufels, wen
interessiert das? Mich hält er ja schon für einen«, erwiderte
Cranston. Athelstan griff nach den Pergamentblättern; er studierte
sie und versuchte, die enge, gedrängte Handschrift und die in einem
solchen Buch üblichen Abkürzungen zu entziffern. Aufmerksam achtete
er auf das Datum, das auf jeder Seite über der linken Spalte stand.
Es mochten an die fünfzig, sechzig Seiten sein, mit feinem Hanfgarn
zusammengebunden, und sie reichten von 1353 bis 1368, dem Jahr, in
dem der alte Priester Theobald gestorben war. »Gern würde ich das
jetzt alles studieren«, sagte er leise, schaute aber auf die
Stundenkerze, die auf einem Bord über den Weinfässern brannte. »Sir
John, wir sollten nach Blackfriars zurückgehen. Ich habe dem Pater
Prior gesagt, ich möchte ihn und die anderen noch sprechen, und es
ist jetzt schon zu spät. Wir sollten zurückkehren, zumindest um
unsere untertänigsten Entschuldigungen
vorzubringen.«   
    Cranston verdrehte den Hals und
spähte aus dem Fenster. »Scheiße!« brummte er. »Die Sonne geht
gleich unter. Hör nur, Bruder.«
    Athelstan spitzte die Ohren und
hörte die große Glocke von St. Mary Le Bow; ihr Schlag war das
Zeichen dafür, daß des Tages Arbeit zu Ende war. Er war müde und
erschöpft, und der Wein in seinem leeren Magen begann allmählich zu
gerinnen. Er wartete, bis Cranston seinen Becher leergetrunken
hatte, dann faltete er seine Papiere zusammen, griff nach seinem
Knüttel und ging.
    Aber Athelstan hätte sich nicht den
Kopf darüber zu zerbrechen brauchen, daß er zu spät zu seiner
Verabredung in

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