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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Blackfriars kam. Die Nachricht vom Tode Bruder
Rogers hatte sich in der geschlossenen Klostergesellschaft
verbreitet und dem Prior Ratlosigkeit und endlose Fragen
eingebracht. Als Athelstan zu ihm kam, wirkte Pater Anselm
sichtlich erschöpft.
    »Ja, ja«, sagte er, »wir haben auf
dich gewartet, Bruder. Aber ich wußte, daß etwas anderes dich
aufgehalten haben mußte. Ist dir noch etwas eingefallen?« fragte er
hoffnungsvoll. »Pater Prior, dieses Problem ist so undurchsichtig
wie ein trüber Tümpel. Habt Ihr herausgefunden, wann Bruder Roger
zuletzt gesehen wurde?«
    Anselm setzte sich müde und winkte
Athelstan und Cranston, ebenfalls Platz zu nehmen. »Das war gleich
nach der Vesper, draußen vor der Kirche.« Er rieb sich die Stirn.
»Ihr habt ihn dann als nächstes gesehen, als er im Obstgarten
an diesem Baum hing.« Er hob die Hand.
»Und, bevor du fragst, niemand will ihn dazwischen gesehen oder
gesprochen haben. Es ist, als sei er unsichtbar
gewesen.«
    »Und ihr habt die Zellen der Brüder
Alcuin und Callixtus durchsuchen lassen?«
    »Und nichts gefunden«, vollendete
der Prior und wühlte auf seinem Pult herum. »Nur zwei Pergamente.
Eines in Alcuins Zelle, eines bei Callixtus. Auf beiden stand
derselbe Name.«
    Der Prior reichte die Blätter
herüber. Athelstan betrachtete sie neugierig. In unterschiedlichen
Handschriften stand auf beiden mehrmals ein Name: Hildegarde. »Wer
ist das?« fragte Athelstan.
    Anselm verzog das Gesicht. »Weiß der
Himmel! Das war das einzig Ungewöhnliche, was ich finden konnte.
Das einzige, was den Tod des einen Bruders mit dem Verschwinden des
anderen verbindet.«
    Cranston, der halb dösend neben
Athelstan saß, schoß hoch. »Immer eine Frau«, stellte er fest und
schmatzte. »Wo es Ärger gibt, steckt immer eine Frau
dahinter.«
    »Sir John, Ihr wollt doch nicht
sagen …« Anselm schaute den Coroner erbost an. »Bruder Callixtus
und Bruder Alcuin waren gute Männer, getreue Priester und schwer
arbeitende Mitglieder unseres Ordens. Niemals gab es auch nur
Andeutungen eines Skandals oder die leiseste Andeutung von Tratsch
im Zusammenhang mit ihnen! Sie waren alte Mitglieder des Ordens und
gebildete Theologen.« Er blickte zu Boden. »Sie hatten einen
besseren Tod verdient.« Cranston entschuldigte sich wortgewaltig,
sein Secretarius starrte derweil die beiden Pergamente an. »Du
siehst müde aus, Athelstan«, bemerkte Anselm, den Cranstons
wiederholte Entschuldigungen nach einer Weile verlegen machten.
»Laß es gut sein. Bruder Norbert wird euch etwas aus dem
Refektorium bringen. Ich schlage vor, ihr geht früh zu Bett und
schlaft.«
    Athelstan war einverstanden. »Aber
morgen, Pater Prior, nach dem Frühgebet, muß ich Euch und die
anderen Mitglieder des Generalkapitels sprechen.« Er klopfte auf
die Pergamente in seiner Hand, und eine unbestimmte Idee nahm in
seinem Kopf Gestalt an, eine lose Gedankenkette, der er folgen
würde, wenn er frischer wäre. »Erzählt vorläufig niemandem davon,
Pater. Schweigt darüber.« Athelstan und Cranston kehrten in das
Gästehaus zurück, wo sie sich wuschen und eine Weile in der Küche
saßen. Cranston machte sich schmatzend über einen Krug Met her, und
sein Gefährte starrte in das flackernde Feuer, das Bruder Norbert
für sie angezündet hatte. Der junge Laienbruder brachte ihnen auch
das Essen aus dem Refektorium: gutes, in Pfeffertunke gekochtes
Kalbfleisch unter einer dünnen, goldgelben Teigkruste und eine
Schüssel leicht gedünstetes Gemüse aus dem Klostergarten. Cranston
langte genüßlich zu; Athelstan war müde und hatte immer noch
Magenbeschwerden nach dem Wein, deshalb aß er weniger. Erst als er
fast fertig war, bemerkte er die kleine, mit grüner Seide
säuberlich zugebundene Schriftrolle, die auf einem Schemel in der
Ecke der Küche lag. Er ging hin und holte sie. »Was ist das?«
fragte Cranston zwischen zwei Bissen Kalbfleisch.
    »Eine Abschrift von Bruder Henry von
Winchesters Abhandlung Cur Deus homo — ›Warum Gott ein Mensch wurden«
    »Das zu lesen, überlasse ich dir«,
meinte Cranston. »Wenn Gott wollte, daß wir Seine Wege erkunden,
dann würde Er nicht den größten Teil Seiner Zeit darauf verwenden,
möglichst viel Abstand zwischen sich und uns
aufrechtzuerhalten.«
    Athelstan lächelte, setzte sich und
begann, trotz seiner Müdigkeit, die Abhandlung zu lesen. Er las
noch immer, als Cranston, der sein eigenes und den Rest von
Athelstans Essen verspeist hatte, in die Speisekammer stapfte, um
neue

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