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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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da; er war weiß im
Gesicht, und seine Augen waren starr vor Entsetzen. Die anderen
konnten nicht hinschauen; sie hatten sich hinter den Altar
zurückgezogen, und nur Bruder Norbert war dageblieben. »Du scheinst
mir ein robuster Kerl zu sein«, stellte Cranston fest. »Lauf rasch
und hole ein Leichentuch und einen Sarg. Na los, Mann!«
    Norbert hastete davon, und Cranston
straffte sich. Er nahm Athelstan beim Arm. »Komm, Bruder«, sagte er
sanft. »Komm weg hier. Der Pater Prior braucht deine Hilfe.«
Athelstan riß sich von dem entstellten Leichnam los und ging zu
Anselm hinüber.
    »Pater Prior«, flüsterte er und nahm
Anselms Hand. Sie war eiskalt. »Pater, kommt mit uns.« Er packte
den Mann bei der Schulter und schüttelte ihn heftig. »Hier können
wir nichts mehr tun.«

 
    ZEHN
    Der Prior ließ sich fortführen wie
ein verängstigtes Kind. Beim Chorgestühl angekommen, schaute er die
anderen mit seltsamer Miene an, denn erst jetzt ging ihm das ganze
Grauen dessen auf, was er gesehen hatte. Er preßte die Hand vor den
Mund und ging schnellen Schritts durch das Kirchenschiff und zum
Hauptportal hinaus, um sich draußen zu übergeben.
    Athelstan blieb stehen und
beobachtete die übrigen; Henry von Winchester saß da und hatte den
Kopf in beide Hände vergraben. Niall und Peter steckten die Köpfe
zusammen und tuschelten mit bleichen Gesichtern, und die beiden
Inquisitoren saßen wie Strohpuppen da und starrten mit leerem Blick
in den Altarraum. Athelstan zwang sich zur Entspannung; er atmete
tief und versuchte, seinen Magen zu beruhigen und das Bedürfnis zu
unterdrücken, ob dieser Blasphemie zu heulen und zu
schreien.    
    Norbert und ein paar andere kamen
mit einem Leintuch und einem neuen Sarg. Athelstan dankte Gott für
Cranstons Autorität als Coroner. Bruder Norbert hüllte Alcuins
Leiche in Leder, schnitt ein wenig von dem Seil ab und band das
Leder fest zu, ehe er den Toten in den neuen Sarg legte. Dann
schaufelte er noch mehr Weihrauchkörner auf die glühende Holzkohle,
bis es aussah, als wüte ein Feuer hinter dem Altar, und duftende
Wolken sich erhoben, um den durchdringenden Verwesungsgestank zu
überdecken. Athelstan schaute durch das Kirchenschiff zum
Hauptportal, wo der Prior vornübergebeugt stand und um Fassung
rang. Cranston und Norbert zogen sich zurück; Athelstan hörte, wie
sie zur Sakristeitür hinausgingen. Dann kam der Coroner zurück, und
Norbert folgte ihm mit einem Tablett, auf dem ein großer Krug Wein
und acht Becher standen. »Hol den Prior«, flüsterte Cranston.
»Bring ihn wieder her.« Athelstan gehorchte. Der Pater Prior wirkte
etwas gefaßter; seine Hände waren warm, und sein Gesicht hatte
wieder ein wenig Farbe, aber seine Augen tränten immer noch vom
heftigen Würgen.
    »O Athelstan«, flüsterte er, als sie
langsam wieder zum Altarraum hinaufgingen. »Möge Gott mir vergeben!
So tief versenkt habe ich mich in die Führung eines großen
Klosters, daß ich das Böse im Menschen in seiner ganzen
Grauenhaftigkeit vergessen habe, und die schrecklichen Folgen der
Sünde. Wer konnte so etwas tun? Einen armen Priester wie Alcuin
hier vor Gottes Auge ermorden! Am Altare Christi! Und dann seinen
Leichnam und den des armen Bruno schänden! Wer? Wer kann so böse
sein?« Athelstan führte ihn behutsam zu einem der Chorstühle,
Cranston ließ den Wein in die Becher gluckern und hielt ihnen je
einen entgegen. Norbert und sich selbst bediente er
zuletzt.
    »Du bist ein guter Mann«, dröhnte
Cranston und schlug dem Laienbruder auf die Schulter. »Ich habe oft
gedacht, Athelstan könnte in St. Erconwald ein bißchen Hilfe
gebrauchen, genau wie ich in den Geschäften der Stadt. Du bist
genau der Kerl, den ich dafür aussuchen würde.« Er strahlte in die
Runde. »Kommt, ihr alle. Du auch, Athelstan. Setz dich. ›Trinke ein
wenig Wein um deines Magens willen‹, wie der heilige Paulus sagt.«
Er leerte seinen Becher in einem Zug und füllte ihn zwinkernd noch
einmal bis zum Rand. »Wir sollten hier im Hause Gottes keinen Wein
trinken«, befand William de Conches, der sich allmählich von seinem
Schrecken erholte.
    »Jesus wird nichts dagegen haben!«
schnappte Cranston. »Also, Bruder Athelstan, deine Annahme hat sich
als richtig erwiesen.«
    »Halt!« unterbrach der Prior.
»Bruder Norbert, geh zu Subprior John und sag ihm, daß ich die
Kirche versiegelt haben will. Niemand darf hinein. Hier wird keine
Messe gelesen und keine Andacht gehalten, bis wir unsere zwei
Brüder

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