Die Sakristei Des Todes
furchtbaren Helms sah. Wenigstens drei Pferde
schlug er unter sich tot, weil er ihre Köpfe und Ohren für nahende
Feinde hielt.«
»Sir John«, mahnte Athelstan,
»vergeßt die Vergangenheit. Wißt Ihr noch, was wir vereinbart
hatten? Ihr müßt die Geschichte selbst erzählen.«
Cranston schnippte mit den Fingern.
»Feentitten! Denen werde ich eine Geschichte erzählen!« Er funkelte
Athelstan wütend an. »Ich hoffe bloß, es ist die richtige
Geschichte.« Der Diener brachte noch einmal einen Becher Wein.
Athelstan schloß die Augen und betete, der Coroner möge sich keinen
allzugroßen Rausch antrinken und die Lösung des Rätsels vergessen.
Sir John aber trank hin und wieder mit halbgeschlossenen Augen aus
seinem Becher und schaute verachtungsvoll in die Halle. Athelstan
merkte, daß er im stillen immer noch die Dekadenz der jüngeren
Generation beklagte. Plötzlich erklang schrilles
Trompetengeschmetter. Eine Schar junger Knappen mit bunten Bannern
kam in die Halle. Sie stellten sich zu beiden Seiten eines in den
rot-blaugoldenen Farben des englischen Königshauses gekleideten
Herolds auf. Dieser blies drei durchdringende Fanfaren auf einer
langen, silbernen Trompete und verlangte mit lauter Stimme
Stillschweigen für »Seine Gnaden, den König, Seinen
allervornehmsten Onkel John, Herzog von Lancaster, und seinen
teuren Cousin, den Fürsten von Cremona«. König Richard kam herein;
er trug ein blaues Gewand mit goldenen Löwen und den silbernen
Lilien Frankreichs. An seiner Seite ging Lancaster in
braun-goldenem Mantel und mit einem silbernen Diadem im lohfarbenen
Haar; auf der anderen Seite kam Cremona in Schwarz und Silber, auf
dem Gesicht ein selbstzufriedenes Lächeln. Hinter ihnen kämpfte das
höfische Gefolge in pfauenbunten Kleidern um die besten Plätze. Der
junge König klatschte in die Hände, als er Cranston sah, und wäre
wie ein normales Kind auf ihn zugelaufen, hätte Gaunt ihn nicht mit
seiner beringten Hand zurückgehalten.
»Mylord Coroner!« rief der
Knabenkönig. »Ihr seid mir höchst willkommen.«
Cranston und Athelstan, die sich
erhoben hatten, als der Herold hereingekommen war, beugten das
Knie. »Euer Gnaden«, murmelte Cranston, »Ihr erweist mir eine große
Ehre.«
Er wartete, bis Richard sich
genähert hatte, nahm dann die kleine, alabasterweiße Hand und küßte
sie geräuschvoll, was bei den zuschauenden Höflingen leises
Gekicher auslöste. Der Coroner hob halb den Kopf. »Euer Gnaden,
kennt Ihr meinen Schreiber?«
Der König drehte sich um, ohne
Cranstons dicke Hand loszulassen; er lächelte und nickte dem
Dominikaner zu. »Natürlich. Bruder Athelstan, Ihr seid
wohlauf?«
»Ja, Gott sei's gedankt, Euer
Gnaden.«
»Gut!« Der König klatschte in die
Hände. »Liebster Onkel«, rief er über die Schulter, und Athelstan
entging nicht das stählerne Glitzern in Auge und Stimme des Jungen.
Der Ordensbruder blickte rasch zu Boden. Richard haßte seinen
mächtigen Onkel, und eines Tages würde diese Sache blutig geregelt
werden.
»Liebster Onkel«, wiederholte der
junge König, »alle sollen Platz nehmen. Sir John und Bruder
Athelstan, Ihr sollt zu meiner Rechten sitzen, gleich neben meinem
Onkel.«
Cranston und Athelstan richteten
sich auf, Gaunt begrüßte sie in seidigem Ton, und der italienische
Fürst ebenfalls. Ihr spöttisches Lächeln entging Athelstan nicht.
Sie hatten Cranston genau beobachtet; der Coroner hatte einen
Rausch, und sie sahen die Wette für ihn schon verloren. Wieder gab
es den üblichen Aufruhr, als die Höflinge sich um Plätze auf der
Estrade balgten. Der Herold blies weitere Fanfarenklänge auf seiner
Silbertrompete, und Gepolter und Geschrei erfüllten die Halle, als
die Leute ihre Plätze einnahmen. Der König lächelte mit leuchtenden
Augen und aufgeregter Miene über den Tisch hinweg Athelstan und
Cranston zu, und dieser war plötzlich nüchtern. Hier stand mehr auf
dem Spiel als tausend Kronen. Gaunt wartete darauf, daß er
scheiterte, und der junge König wollte, daß sein Onkel besiegt und
daß dem arroganten italienischen Fürsten gezeigt wurde, von welcher
Kraft der englische Geist in Wahrheit sei. Endlich befahl der
Herold Schweigen, und der König stand, auf, ohne auf seinen Onkel
zu warten.
»Mein geliebter Onkel, Fürst von
Cremona, Gentlemen - die Wette ist inzwischen allgemein bekannt.
Vor zwei Wochen hat unser Gast« - die königliche Hand legte sich
auf das Handgelenk des italienischen Lords zu seiner Linken — »uns
ein
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