Die Sakristei Des Todes
Lane.
»Werdet Ihr Lady Maude alles
erzählen?« fragte Athelstan, als sie vor den Stufen von St. Mary Le
Bow standen. Cranston schüttelte den Kopf. »Eins nach dem anderen,
Bruder. Ich habe rasenden Durst. Dem Sieger gebührt die Beute, und
ich werde mir den größten Becher Rotwein genehmigen, den das
›Heilige Lammt auftreiben kann.« Athelstan schluckte seinen Protest
hinunter. Er mußte zugeben, daß Sir John sowohl eine Belohnung als
auch eine Erfrischung verdient hatte, und fragte sich beiläufig, ob
der Coroner in seiner Aufregung vergessen hatte, den wunderbaren
Weinschlauch zu füllen.
Sir John rauschte in das »Heilige
Lamm Gottes« wie der Nordwind und warf den Bettlern, die sich vor
der Tür herumtrieben, ein paar Pennys zu. Er spendierte allen
Gästen ein Glas und drückte jedem Schankburschen eine Münze in die
Hand. Der Wirt und seine rundliche Frau, die sich anscheinend immer
aneinander festhielten, wurden einzeln umarmt und bekamen je einen
dicken Kuß auf die Wange. Am besten Tisch wurde Platz gemacht, und
man servierte eine Schüssel Lammfleisch, behutsam über dem
Holzkohlenfeuer geschmort und stark gewürzt, mit Lauch und Zwiebeln
in einer Sauce aus Bratensaft. Athelstan merkte, wie hungrig er
war, und bestellte sich das gleiche, aber er hielt sich an Wein mit
Wasser, während Sir John den besten Rotwein und den größten Becher
kommen ließ, den das »Heilige Lamm«
besaß.
Sir John schlang sein Essen gierig
hinunter und wischte seinen Zinnteller mit Brocken vom
allerfeinsten Weißbrot sauber; dann trank er Athelstans halbleeren
Becher aus und lehnte sich mit halbgeschlossenen Augen zurück. »Ich
war großartig«, murmelte er. »Dabei war Cremona für einen Italiener
gar nicht übel - aber hast du Gaunts Gesicht gesehen? Eiskalt ist
der. Nur einmal habe ich gesehen, wie die Maske verrutschte.«
Cranston klopfte sich auf den Bauch. »Wenn Blicke töten könnten,
dann wäre mir der Kopf von den Schultern geflogen.«
»Was hat eigentlich König Richard
gesagt?« fragte Athelstan. »Ihr wißt schon, am Ende, als er Euch
etwas ins Ohr flüsterte.«
Cranston setzte sich auf und schaute
ernst. Er schaute sich wachsam um, denn Gaunts Spitzel waren
überall. »Hast du je die Augen des jungen Königs betrachtet?«
flüsterte er. »Sie sind wie Eissplitter. Von so hellem Blau, daß
sie beinahe farblos sind. Ich kannte einmal einen Arzt, der sagte,
ein solcher Blick sei der eines Mannes, dessen Geist gestört sei.«
Athelstan rückte näher heran. »Ihr glaubt, der junge König ist
wahnsinnig, Sir John?«
Cranston schüttelte den Kopf. »Nein,
nein, aber es ist Wahnsinn in ihm. Wenn er älter wird, könnte
Richard einer der größten Könige werden, die das Reich je gekannt
hat. Aber gerät er in falsche Hände, heiratet er die falsche Frau
oder hört er auf böse Ratgeber, dann könnte er ein Tyrann werden,
der keine Opposition duldet.« Cranston wischte sich mit dem
Handrücken den Mund. »Aber das liegt in der Zukunft, Bruder. Was er
mir heute abend sagte, war, daß auch er vermutet habe, es sei das
Bett gewesen, denn er habe selbst schon vorgehabt, seinen Onkel auf
diese Weise zu ermorden!« Cranston griff nach seinem Becher. »Bei
Gott, Bruder«, flüsterte er, »ich konnte es nicht glauben. Der
König sagte das so eiskalt, wie ein anderer eine Bemerkung über das
Wetter macht oder über ein Paar Handschuhe, die er sich kaufen
will. Ich sage dir eins, Athelstan: Gaunt wird die Macht nicht gern
aus der Hand geben, und der junge König haßt ihn deswegen. Ich muß
aufpassen, daß ich nicht in das Blutbad hineingezogen werde, zu dem
es sicher kommen wird.«
Athelstan füllte Cranstons Becher.
»Kommt, Sir John, vergeßt jetzt die Politik des Hofes. Ihr seid um
tausend Kronen reicher. Ihr habt Eurem Namen große Ehre gemacht.
Lady Maude erwartet Euch, und Euer Becher ist randvoll.«
»Bevor ich in Ausschweifung und
Sünde versinke«, antwortete Cranston, »berichte mir doch von der
Sache in Blackfriars.«
Athelstan fuhr mit der Fingerspitze
über den Rand seines Bechers. »Sir John, dieser Fall ist
einzigartig. Ist Euch klar, daß wir keinerlei Beweis haben? Nicht
einen Fetzen Material, mit dem wir jemanden anklagen, geschweige
denn verhaften könnten. Noch nie haben wir es mit einer derartigen
Angelegenheit zu tun gehabt. Ich glaube, alles steht und fällt mit
dem Namen Hildegarde. Jetzt kommt, Sir John.« Cranston brauchte
keine zweite Aufforderung, und als sie zwei Stunden
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