Die Salzbaronin
Unwissenheit verzeihen - ich war schließlich mehr als zwei Jahre weg!« Zudem bekam er langsam das Gefühl, als würden ihm die ganzen Lehren der Wirtschaftswissenschaften hier rein gar nichts nutzen … Georg zog eine Grimasse.
Doch Dorothea blieb von seinem Charme unbeeindruckt. Stumm ordnete sie ihre Listen, die bei ihrem hastigen Aufspringen vom Tisch gefallen waren.
Georg seufzte. Er beneidete Alexander von Hohenweihe nicht um seine Aufgabe, Dorotheas Launenhaftigkeit zu zähmen. Er selbst schien diese Gabe jedenfalls nicht zu haben. Einen letzten Versuch war ihm die Sache jedoch wert, obwohl er nicht wusste, worüber sie sich eigentlich so erzürnte. In der Saline lief alles seinen Gang, hatte er von Vater und auch vom Salzmaier zu hören bekommen. Ihm war zwar noch nicht ganz klar, wieweit Frederick von Graauw überhaupt ins Tagesgeschäft der Saline involviert war - seine Bemerkungen waren immer recht vage gehalten -, aber zumindest der Salzmaier Josef Gerber wusste, worüber er sprach. »Warum setzen wir uns von nun an nicht täglich für einige Stunden zusammen - vorausgesetzt, du hast Zeit - und gehen diese ganzen Unterlagen gemeinsam durch? Mir drängt sich nämlich langsam der Eindruck auf, dass sich niemand so gut auskennt mit der ganzen Salzgewinnung wie du. Und Vater…« Er zuckte mit den Schultern.
»Mir brauchst du nichts zu erzählen«, kam es nun schon weniger vorwurfsvoll. »Aber natürlich helfe ich dir, wenn ich kann.« Dorothea versuchte ein Lächeln, das jedoch nicht so recht auf ihrem Gesicht zu Hause zu sein schien. »Außerdem gäbe es da schon das eine oder andere, worüber ich gern mit dir reden wollte.« Die Sehnsucht in Dorotheas Stimme war nicht zu überhören, und Georg fragte sich, worauf diese sich bezog: Wollte Dorothea über Alexander mit ihm reden? Oder ging es doch nur wieder einmal um Salz?
6
»Sie wollen uns die Mittsommerfeier verbieten!« Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht von Sudhaus zu Sudhaus, in die Pfieselhäuser und schließlich bis ins Magazin. »Die Mittsommerfeier?« - »Aber warum denn?« - »Das geht doch nicht!«
Als Götz ins Sudhaus trat, registrierte er als erstes die immer dicker werdenden Salzkristalle auf dem Boden der linken Pfanne. Darunter bildete sich eine dunkle Kruste. »Zieh ab! Verdammt noch mal, zieh ab!« schrie er Richard zu, der unmittelbar neben der Pfanne stand. Doch bevor dieser zur Krucke greifen konnte, hatte Götz selbst das lange Gerät gepackt und begonnen, das Salz, das sich aus der Sole herauskristallisiert hatte, abzuschöpfen. Bald schmerzten seine Arme, so hastig schaufelte er die feuchte Masse auf die Perstatt, die Abtropfvorrichtung, wo der weiße Berg immer höher wurde. Inzwischen war das Getuschel der andern leiser geworden, auch die Aufgebrachtheit war - zumindest für den Augenblick - erloschen. Jeder hatte plötzlich wieder zu tun, keiner durfte Zeit verschenken. Auch Hermann, der für das Abziehen des Salzes zuständig war, rührte nun mit seiner Krucke in der Pfanne herum, um das letzte Körnchen Salz herauszuholen.
Götz schüttelte den Kopf. Er war nur für einen kurzen Moment nach draußen gegangen, um sich hinter den großen Holzstapeln zu erleichtern. Davor hatte er Hermann ausdrücklich ermahnt, daran zu denken, das Salz abzuziehen - und nun? Fast wär’s zu spät gewesen! Hätte die Pfanne Schaden genommen, wäre das schon die zweite gewesen, die unter seiner Aufsicht kaputtging. Erst als er mit Abziehen fertig und in der Siedepfanne nichts übrig war außer einem jämmerlichen Rest trüben Wassers, erlaubte er sich, die Schweißbäche aus dem Gesicht zu wischen. Er schaute Richard zu, wie dieser Eimer für Eimer frisches Solewasser nachgoss. Wie ein riesiger Drache sog die Pfanne den Nachschub auf, weiße Dämpfe stiegen aus ihrem Schlund empor und hüllten den ganzen Raum in Nebelschwaden. Magda und Ellen, als Nachtdirnen für den Abtransport des nassen Salzes ins Trockenlager zuständig, begannen zu husten. »Nicht so hastig! Jetzt reicht’s erst einmal«, wies Götz daraufhin Richard an. Würde sich das Wasser zu sehr abkühlen, mussten sie nachfeuern. Und das wollte Götz auf keinen Fall.
»Die wollen uns die Mittsommerfeier verbieten, hast du schon gehört?« fragte Josef, neben Richard der zweite Solenachfüller.
Götz winkte nur ab. Sein Blick war auf Hermann gerichtet, der sich an der anderen Seite der Pfanne zu schaffen machte. »Was ist? Sind deine drei Stunden länger als meine? Oder was
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