Die Salzbaronin
Heilbadpläne nochmals auf den Tisch zu bringen, doch auch bei völlig belanglosen Themen hatte Dorothea es verstanden, kleine verbale Pfeilspitzen auf Richtvogel abzuschießen.
Martin selbst hatte sich nicht weiter um Dorothea gekümmert. Sein Blick, wenn er sie bei Tisch in einem vermeintlich unbeobachteten Moment angeschaut hatte, war jedoch befremdet gewesen, was Georg nicht weiter verwunderte. Martin war bei den Frauen sehr beliebt. Da kam es sicher selten vor, dass eine so offen ihre Abneigung zeigte. Dass Richtvogel sich überhaupt bereit erklärt hatte, im neuen Jahr wiederzukommen, um das Unternehmen »Heilbad Rehbach« anzugehen, schrieb Georg nur seinem großzügigen Charakter zu.
Anfang Oktober hatte sich Violas Garten in ein Meer von Rottönen, vermischt mit gelben, grünen und ockerfarbenen Tupfen verwandelt. Selbst das Binsengras am Teichufer glühte wie ein frisch angezündetes Feuer, und die Sonne, die sich im moosiggrünen Wasser spiegelte, wirkte dagegen fast leblos.
»Der Herbst ist wieder einmal über Nacht gekommen.« Fast verwundert schaute sich Georg im Garten um. Er hatte so viele Stunden an seinem Schreibtisch verbracht, dass ihm der Wandel der Jahreszeit gar nicht bewusst gewesen war! Ob sich das mit Rehbach als Heilbad ändern würde?
»Ja, und selbst jetzt zeigt sich dieser Park in prächtigem Gewand!« Martin atmete tief durch. »Ich kann die Kurgäste schon sehen, wie sie über die frisch geharkten Wege flanieren, um danach in ihrem Hotel Champagner zu trinken oder sich auf eine Tanzveranstaltung am Abend vorzubereiten. Eure Damen werden natürlich die begehrtesten Gastgeberinnen weit und breit sein, und dein Vater wird sich vor Jagdgästen nicht mehr zu retten wissen!« fügte er hinzu. Die Selbstgefälligkeit eines Visionärs, der seine Träume schon mehrmals hatte wahr werden sehen, lag in jedem Wort.
Wieder spürte Georg das Flattern in seinem Bauch. »Für dich mag das alles vielleicht schon greifbar sein, du hast schließlich Erfahrung und weißt, wie so ein Heilbad aussieht! Mir jedoch fehlt es nicht nur an der Vorstellungskraft, sondern …« Hilflos suchte er nach Worten, die seine Zweifel deutlich machen sollten. Er blieb stehen und zeigte auf den Garten. »Ein Park!« sagte er verächtlich. »Violas Garten ist doch nichts, was einen Besuch wert wäre! Die Städte, von denen du mir erzählt hast, die gibt es wenigstens schon! Die müssen nur noch ihr Heilbad planen. Bei uns auf Gut Rehbach jedoch müsste alles erschaffen werden: das Badehaus mit seinen Anlagen, Hotels, vielleicht noch Gasthöfe dazu und wer weiß was alles! Die Kosten …« Er schüttelte den Kopf. »Manchmal frage ich mich, ob es nicht das beste wäre, alles beim alten zu belassen.« So, jetzt war es heraus!
»Die Kosten trägt doch nicht deine Familie allein! Geldgeber für ein Unternehmen dieser Größenordnung zu finden wird ein Hauptziel unserer gemeinsamen Anstrengungen im neuen Jahr sein!« Martin blieb stehen und blickte zu Georg. »Und außerdem: Habe ich dir nicht zugesichert, nur die Hälfte meines sonstigen Beraterhonorars zu verlangen? Ich möchte mich ja nicht selbst loben, aber angesichts meiner Großzügigkeit hast du keinen Grund, über die Kosten zu jammern!«
Die Hälfte seines sonstigen Honorars belief sich immerhin auch noch auf zweitausend Gulden. Kein Pappenstiel, schoss es Georg durch den Kopf. »Es sind tausend Dinge, über die ich mir den Kopf zerbreche. Jetzt habe ich mich gerade eben erst ins Salinengeschäft eingearbeitet, und nun soll ich Rehbach für ein halbes Jahr allein lassen! Wie soll das gehen?«
»Ich dachte, du bist überglücklich darüber, dass dein Vater dir die Möglichkeit zu dieser Erkundungsreise bietet! Und dass ich mich bereit erklärt habe, dich zu begleiten, scheint bei dir auch auf Undank zu stoßen.« Martin sah verärgert aus.
»Du verstehst mich falsch!« versuchte Georg sich zu verteidigen. »Ich frage mich nur, ob meine Abwesenheit Rehbach nicht schaden wird.« Er dachte dabei an Dorothea und ihre ständige Einmischung ins Tagesgeschehen. Aber er konnte doch nicht gegenüber Richtvogel zugeben, dass er Angst hatte, Dorothea würde seine Abwesenheit für ihre Zwecke - für welche genau, hätte er nicht einmal sagen können - ausnutzen! »Du hast ja recht«, sagte er statt dessen. »Die Reise ist nicht das Problem, für die Zeit meiner Abwesenheit könnte ich auch einen der Sudhausvorsteher oder den Salzamtsmaier als meinen Vertreter
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