Die Salzbaronin
und etwas Rosmarin - das würde Farbe auf die blassen Wangen zaubern! Natürlich sagte Rosa nichts Derartiges. Wer zu ihr kam, wollte nicht mit solch gewöhnlichen Mitteln kuriert werden. Schließlich hatte jeder ein einzigartiges Leiden, das in jener Form und Heftigkeit von keinem anderen nachvollzogen werden konnte.
Schließlich erbarmte sich Rosa. »Sind Sie krank? Welches Leiden plagt Sie?« fragte sie Elisabeth. Leise Ungeduld klang dabei mit. Es war Mittag, und sie war seit dem frühen Morgen auf den Beinen und hatte wilde Weinbeeren gesammelt. Nun knurrte ihr Magen und verlangte nach einer dicken Scheibe Brot und einem Stück von dem Speck, den sie am Vortag für einen Topf Wundsalbe bekommen hatte.
Dorothea schob sich wieder nach vorn. »Es ist so … Elisabeth wird nicht schwanger!«
Das also führte die beiden Adelsweiber zu ihr! Rosa musste ein neuerliches Grinsen unterdrücken. Darin waren alle Frauen gleich: Diejenigen, deren Wanst leer blieb, sehnten sich die Plagen herbei. Die anderen, deren Leib Jahr für Jahr prall wurde, wollten sie wieder loshaben. Sollte sie der jungen Gräfin helfen? Mittel und Wege kannte sie natürlich … Aber eigentlich wollte sie mit denen aus dem Herrenhaus nichts zu tun haben.
»Bitte!« kam es leise von Elisabeth, als wäre sie diejenige, die Gedanken lesen konnte.
»Rosa, bitte bedenke eines - deine Hilfe würde für unsere Familie viel bedeuten …« Dorothea zog vielsagend die Brauen in die Höhe. »Fast könnte man sagen, es wäre eine Art Wiedergutmachung - ein Kind für eine Mutter.« Ihr Blick war kalt.
Für einen Moment blieb Rosa die Luft weg. Spielte Dorothea auf den Tod ihrer Mutter an? Wollte sie etwa sagen, sie, Rosa, sei schuld daran?
Elisabeth starrte von einer zur anderen. Sie verstand nichts von alledem. Dafür legte sie ihre eiskalten Hände auf Rosas Arm und wiederholte dabei flehentlich ihre Bitte: »Um alles in der Welt - hilf mir!« Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte sich vor Rosa auf den Boden geworfen.
Das war’s. Da musste ein Weib nur recht unglücklich daherkommen, und schon warf sie all ihre guten Vorsätze um! Natürlich bemerkte sie Dorotheas triumphierenden Blick - indem Rosa ihre Hilfe zusicherte, tat sie schließlich genau das, weswegen die andere gekommen war. Zähneknirschend sagte sie zu Elisabeth: »Ich helfe Ihnen. Aber dazu müssen wir allein sein! Es gibt Leute, in deren Gegenwart kein Zauber der Welt wirken kann …« Sie schaute zu Dorothea hinüber. Glaub ja nicht, dass ich dem Weib deinetwegen helfe, bedeutete ihr Blick.
Doch über Dorotheas schmale Lippen huschte ein kleines Lächeln. Solange ich meinen Willen kriege, sind mir deine Beweggründe gleich, war die Antwort, die Rosa in den kühlen Augen der Salzbaronin las.
19
Kaum hatte Dorothea Elisabeth bei der Heilerin zurückgelassen, wurde sie erneut von den Wellen ihres eigenen inneren Aufruhrs erfasst. Dass die Heilerin trotz ihrer mehr als offensichtlichen Zögerlichkeit zugestimmt hatte, Elisabeth zu helfen, war nur ein kleiner, unbedeutender Triumph. Viel wichtiger war eine andere Erkenntnis: Elisabeths Problem hatte ihr den Weg für ihr weiteres Vorgehen gezeigt! Ja, so war das manchmal - auch Umwege führten ans Ziel. Wenn sie Rehbach retten wollte, durfte sie von nun an nicht mehr gedankenlos durch den Tag laufen. Sie musste sich vielmehr Mittel und Wege - Umwege - überlegen, um Rehbachs Zukunft steuern zu können. Der Anfang war getan, frohlockte sie. Ob diese Rosa ihrer blutleeren, feengleichen Schwägerin helfen konnte oder nicht, interessierte Dorothea wenig. Wichtig war dabei nur, dass Elisabeth mit anderen Dingen beschäftigt war, statt Georg in punkto Heilbadpläne nach dem Maul zu reden. Nicht, dass Dorothea Elisabeths Einfluss auf Georg als besonders groß eingeschätzt hätte. Aber einen Fürsprecher dieser folie hatte sie immerhin schon ausgeschaltet, wenn es auch der schwächste war.
An der Hecke angekommen, blieb Dorothea abrupt stehen. Sie hatte noch keine Lust, wieder ins Haus zurückzugehen, also schlug sie den Weg zu den Sudhäusern ein.
An den überdachten Wänden des Salz-Magazins stapelten sich bis unter die Balken wagenradgroße Scheiben aus gepresstem Salz. Dorothea wusste, dass das Lagerhaus selbst ebenfalls randvoll davon war. Und das alles sollte es bald nicht mehr geben? Eine heiße Flut der Leidenschaft ließ sie beim Anblick des weißen Goldes erschaudern. Morgen war der letzte Tag des Monats, da würden die zwölf
Weitere Kostenlose Bücher