Die Salzbaronin
hatten, hätten lieber Ostern und Weihnachten ausfallen lassen als dieses Fest!
Wer von den Salinenleuten schließlich die Idee gehabt hatte, die von Graauws einzuladen, wusste Georg nicht. Jedenfalls war Götz Rauber einige Tage vor dem Fest zu ihm gekommen und hatte angefragt, ob die Familie den Rehbachern nicht die Ehre ihrer Anwesenheit erweisen wolle. Georg hatte schwer schlucken müssen. Mit seinen Plänen für das Heilbad im Hinterkopf war er sich vorgekommen wie ein elender Verräter, als er dankend im Namen aller die Einladung annahm.
Als Georg nun ringsum in die freudig erregten Gesichter schaute, holte ihn das gleiche Gefühl wieder ein. Er dachte an Martin Richtvogels letzten Brief, in dem dieser mit großem Enthusiasmus von seinem Erfolg berichtete, den ersten Geldgeber für »das Unternehmen Heilbad Rehbach«, wie er es nannte, gefunden zu haben. Wenn die Leute hier wüssten … Nun, irgendwann würden sie es erfahren müssen. Georg nahm einen großen Schluck Bier, doch der bittere Geschmack in seinem Mund ließ sich nicht wegspülen.
Viola flüsterte Frederick etwas ins Ohr, worauf dieser schallend lachte und etwas entgegnete, was in dem Lärm jedoch unterging. Georgs eigenes Lachen war gequält. Wie gern würde er sich von der guten Stimmung anstecken lassen! Viola hatte sich bei seinem Vater eingehakt. Ihr vom ständigen Aufenthalt im Garten gebräuntes Gesicht wirkte lebhaft und jung. Selbst Dorothea schien guter Laune zu sein - ob dies mit der Tatsache zusammenhing, dass Frederick gerade ihren Damenkrug mit frischem Bier füllte, wusste Georg nicht. Etliche Haarsträhnen, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten, hingen ihr wirr ins Gesicht und erinnerten Georg an vergangene Kindertage, an unbeschwertes Spiel im Wald und an eine Geschwisterliebe, die es nicht mehr gab. Plötzlich fühlte er Dorotheas Blick auf sich ruhen. Als er hochschaute, erschrak er darüber, wie kühl ihre dunklen Augen wirkten, wie distanziert. Er schaute als erster weg.
Die Musiker spielten nun zu einem Tanz auf. Der Rhythmus übertrug sich auf den Dielenboden und vibrierte unter seinen Fußsohlen. Georg drehte sich zu Elisabeth um und zwang sich zu einem Lächeln. »Und? Wie gefällt dir das Fest?«
Er bekam ein fahriges Lächeln zur Antwort. Unruhig wanderte ihr Blick dabei durch den Raum. Von ihrem Bier hatte sie noch keinen Schluck getrunken, stellte Georg fest. Warum ihn dies plötzlich ärgerte, hätte er nicht sagen können. Im Gegensatz zu Viola und Dorothea, deren Lachen heiter war und deren Gesichter von der Hitze und vom Gerstensaft leicht gerötet waren, schien Elisabeth weder innerlich noch äußerlich erhitzt zu sein. Hoch aufgerichtet saß sie da, ihr weißer Hals reckte sich schlank und elegant über einem hochgeschlossenen cremefarbenen Kragen. Ihre straff zurückgebundenen Haare glänzten im öligen Licht der Stalllaternen wie ein metallischer Helm, der helle Puder, den sie für ihre Wangen verwendet hatte, erinnerte Georg auf einmal an Kalk.
Die Musik wurde abrupt unterbrochen, und die Tanzpaare blieben stehen. Einer der Musiker zündete eine Kerze an und steckte etwas hinein. Dann übergab er die Kerze einem der Tänzer, und die Musik begann erneut.
»Was machen die da?« flüsterte Elisabeth Georg zu. Fasziniert beobachtete sie, wie die brennende Kerze von Paar zu Paar gereicht wurde, ohne dass die Tänzer dabei aus dem Takt kamen.
»Das ist eine Art Tanzspiel«, erklärte er ihr. Dass seine Gattin von Ritualen sehr fasziniert war, hatte er schon öfter festgestellt - da waren
ihre Bäder, ihre Spaziergänge, und erst kürzlich hatte er sie dabei überrascht, wie sie mit grünen Zweigen wedelnd am Fenster stand und etwas murmelte. Auf seine Frage hin, was dies bedeuten sollte, hatte sie nur verschämt gelacht. Er holte Luft und sprach weiter: »In die Kerze wurde eine Münze gesteckt - dieses Jahr habe ich übrigens mehrere Münzen als Preise gespendet -, und die bekommt jenes Paar, das die Kerze hält, wenn …« Er brach ab.
Götz Rauber steuerte zielstrebig ihren Tisch an. Auch an den umliegenden Tischen verstummten einige Gespräche, als Rauber vor Dorothea halt machte. Mit einer angedeuteten Verbeugung, die auf ihre Art etwas sehr Herausforderndes hatte, forderte er sie zum Tanzen auf.
Einen Augenblick lang schien jeder am Tisch die Luft anzuhalten. Georg spürte, wie Elisabeth neben ihm erstarrte, als befürchtete sie, selbst auch zum Tanzen aufgefordert zu werden. Auf Dorotheas Gesicht
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