Die Salzbaronin
Haselnüss graten, dann graten auch die Kinder?«
Elisabeth verneinte, horchte jedoch auf wie ein Hund, der seinen Herrn seinen Namen sprechen hört.
Rosa schaute geheimnisvoll drein. Eigentlich hieß es bei den Bauern im Land, dass mit den Haselnüss auch die Huren gerieten, aber für die junge Gräfin erschien es ihr sinnvoller, den Spruch abzuwandeln. »Der Haselbusch ist ein ganz besonderes Gewächs«, erklärte sie ihrer Besucherin. »Unsere Vorfahren nannten ihn sogar Baum der Verführung, weil er die Wollust von Männern und Weibern steigert. Kein Wunder, dass im Frühjahr, wenn der Busch zu grünen beginnt, die jungen Leute nichts anderes im Sinn haben, als in die Haseln zu gehen …« Sie zwinkerte Elisabeth zu und kam sich dabei unendlich alt vor. Die jungen Leute … was war sie eigentlich?
»Jedenfalls« - sie drückte Elisabeth den Haselzweig in die Hand und schob sie sanft in Richtung Hecke - »kann es nicht schaden, das Zweiglein über dem Ehebett anzubringen, auf dass seine Fruchtbarkeit auf Sie herabfällt. Überhaupt kann es nicht schaden, ein wenig Zeit in der Nähe eines Haselnussbusches zu verbringen. Vielleicht geht ein wenig von dessen Fruchtbarkeit auf denjenigen über …«
Elisabeth hatte sich schon verabschiedet und zum Gehen abgewandt, als sie sich nochmals umdrehte. »Jetzt hätte ich das Wichtigste fast vergessen! Die Kirchweih am kommenden Wochenende - wirst du dabeisein?«
»Nein!« Rosa schüttelte aus voller Überzeugung den Kopf. »Sich besaufen, tanzen und feiern, das ist etwas für die anderen. Ich halte es eher mit der Ruhe.« Weil die Mittsommerfeier ausgefallen war, wollte sich dieses Mal die gräfliche Familie die Ehre auf der Kirbe geben - das ganze Dorf sprach über nichts anderes mehr. Doch Rosa hatte bisher noch an keiner einzigen Kirchweih teilgenommen. Welchen Grund sollte es also geben, es gerade dieses Jahr zu tun?
»Warum kommst du nicht wenigstens für kurze Zeit? Georg sagt, er habe vor, jedem einen Krug Wein auszugeben.« Der Stolz in Elisabeths Stimme war nicht zu überhören. »Bitte komm! Es wäre für mich so beruhigend zu wissen, dass du auch da bist. Schließlich ist es doch auch für mich die erste Kirchweih, die ich in Rehbach erlebe«, flehte sie.
»Was brauchen Sie mich?« Elisabeths Anhänglichkeit ging Rosa allmählich zu weit. »Sie haben doch Ihre Familie. Sie würden mich wahrscheinlich gar nicht zu Gesicht bekommen.«
Elisabeths Augen waren voller kindlichem Vertrauen. »Aber der Sinn des Festes ist doch, dass alle gemeinsam feiern! Zumindest hat Georg das gesagt … Gleich, mit wem du zusammensitzen wirst, ich werde dich begrüßen kommen!« versprach sie mit feierlicher Stimme.
Rosa seufzte. Sie musste wirklich aufpassen, dass die Gräfin ihr mit ihrem romantischen Gemüt nicht doch noch Ärger einbrachte! Wenn das kein Grund war, die Kirchweih nicht zu besuchen …
22
Wie Mitte Juni hatte der Wettergott auch diesmal kein Einsehen mit den festlich gestimmten Rehbachern: Pünktlich zum dritten Wochenende im Oktober hob sich der Herbstnebel, der Himmel wurde dunkel, und es begann zu nieseln. Nicht gerade heftig, aber stetig tröpfelte es in feinsten Rinnsalen auf Mensch und Tier, Haus und Baum herab und reichte aus, um einen Aufenthalt im Freien nach kurzer Zeit unangenehm werden zu lassen. Die Festlaune der Rehbacher war dennoch ungebrochen.
Es war mehr eine Eingebung denn ein durchdachter Gedanke gewesen, die Georg gegenüber dem Salzamtsmaier hatte verlauten lassen, dass er zur diesjährigen Kirchweih den Salinenleuten das Magazin zur Verfügung stellen würde. Als der alte Graf vom Angebot seines Sohnes erfuhr, trug auch er seinen Teil zu den Festvorbereitungen bei, indem er aus dem Wald einige kleine Bäumchen bringen ließ, die mit bunten Papierstreifen geschmückt die langen Tische zieren sollten. Dass es in Rehbach kein Gotteshaus gab, dessen Entstehung mit dem Kirchweihfest gefeiert werden konnte, störte dabei niemanden. Auch der Wanderpfarrer, der alljährlich pünktlich zu dem Fest eintraf, schien gegen die besonderen Rehbacher Umstände nichts einzuwenden zu haben, sondern hielt seine Predigt einfach im Freien ab. Wann und von welchen ihrer Vorfahren das Fest trotz fehlender Kirche ins Leben gerufen worden war, kümmerte ebenfalls niemanden: Das dritte Wochenende im Oktober war Kirchweih, und daran war nicht zu rütteln. Die Salinenleute, die im Gegensatz zu den Bauern der umliegenden Dörfer kein Erntedankfest zu feiern
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