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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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verbergen, desto offensichtlicher erschien sie Rosa. Beim Anblick ihrer verzehrenden Augen wurde Rosa von einer Welle der Sehnsucht überspült. Die Erinnerung an Georgs Umarmung reichte, um ihr das Wasser in die Augen zu treiben.
    Sie beobachtete, wie Dorothea und Götz sich in einem vermeintlich unbeobachteten Augenblick an den Händen fassten. Die Salzbaronin und der Salinenmann! Zu welchen Taten hatte sie ihn überredet, nachdem er vom süßen Honig ihrer Jungfräulichkeit hatte kosten dürfen? Wahrscheinlich musste er wieder einmal sein ganzes Geschick aufbieten, um die armen Leute noch mehr anzutreiben. Tiefer, tiefer, tiefer! Und schneller, schneller, schneller! Um mehr ging es nicht in Rehbach. Dabei schufteten die Rehbacher schon längst, was ihre Knochen hergaben. Rosa kam es so vor, als hätte Dorothea die Leute mit ihrer Besessenheit angesteckt. »Wenn du nicht langsamer machst mit der ganzen Schipperei, kommst du im nächsten Winter morgens gar nicht mehr hoch«, hatte die Heilerin erst am Vortag zu einem der Männer gesagt. Doch er wollte ebensowenig auf sie hören wie alle anderen, auf die sie eingeredet hatte. »Jetzt ist Frühjahr und nicht Winter!« war seine brummige Antwort gewesen. »Wenn ich jetzt nicht grabe, dann brauch’ ich im Winter nicht mehr aufstehen, weil ich dann nämlich nichts mehr zu fressen hab’!« hatte er noch nachgeschoben. Und genauso sahen es die anderen auch.
    Acht Wochen gruben sie nun schon, und laut Götz würde es mindestens noch einmal fünf Wochen dauern, bis sie an die ersten Salzlager kamen. Salzlager - wie sich das anhörte! Rosa konnte sich nichts darunter vorstellen, doch die Rehbacher sprachen darüber, als hätten sie ihr Leben lang nichts anderes getan, als Salzlager zu erschließen. Je tiefer sie gruben, desto größer wurde die Gier, das Salz endlich mit eigenen Augen in der Rehbacher Erde zu sehen, es mit eigenen Händen anfassen zu können.
    Doch so besessen sie auch waren, die Aufbruchstimmung unter den Leuten war nun, Anfang Mai, längst verflogen. Rosa musste sich sehr anstrengen, um sich daran zu erinnern, wie fröhlich die Rehbacher an ihre neue Aufgabe herangegangen waren. Verbissene Gesichter, zusammengekniffene Münder und vor Müdigkeit kleine Augen prägten jetzt das Bild, das sich ihr täglich bot. Und außer den Schaufeln war noch etwas zu hören: Streit. Der wenige Schlaf machte die Menschen gereizt, schnell wurde aus harmlosem Geplänkel ein handfester Krach.
    Und so wurde der Schacht immer tiefer und der Wall entlang der Straße in die Stadt, auf den die Leute auf Götz’ Anweisung hin den Erdaushub seit einigen Wochen schütteten, immer länger.
    Und die Verletzungen und kleinen Unfälle, entstanden durch müde Knochen und müde Köpfe, häuften sich.
    Man hätte nicht einmal über besondere Fähigkeiten verfügen müssen, um vorherzusehen, dass diese Plackerei bei Tag und Nacht nicht ewig gutgehen konnte.
    Dorothea Schloss die Augen und atmete tief durch. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte laut geseufzt vor lauter Wohlbefinden. Erst hier im Wald merkte sie, wie laut es am Schacht gewesen war, wo ewig das Eisenseil rasselte, wenn die Eimer mit Aushub hochgezogen wurden. Sie machte die Augen wieder auf, und ihr Blick blieb an Götz’ Gesicht hängen.
    Er zwinkerte ihr zu. »Na, schon genug von hier draußen?«
    Sie verzog den Mund. »Lästere du nur! Glaubst du, wir wären schon so weit gekommen, wenn ich mich öfter von dir zu solchen Ausflügen überreden lassen würde? Die Leute schaffen doch nur, wenn einer von uns daneben steht!«
    Darauf erwiderte Götz nichts. Er rutschte etwas nach hinten, so dass er sich an einem der dickeren Birkenstämme anlehnen konnte. Einladend öffnete er seine Arme, und Dorothea rappelte sich soweit auf, dass sie sich an ihn schmiegen konnte. »Trotzdem, es tut gut, wenigstens für kurze Zeit etwas anderes zu sehen als schmierige, braune Erde.« Das verdammte Grundwasser! Immer wieder war es in den letzten Tagen von unten heraufgequollen, und sie hatten alle Mühe gehabt - nein! Sie verbot sich jeden weiteren Gedanken. Wenigstens eine Stunde lang den Schacht vergessen. Eine Stunde lang nicht bangen müssen. Nicht mit Götz streiten müssen, was richtig und was falsch war. Sie seufzte und drückte ihre Wange fester an den rauhen Stoff seines Hemdes.
    Götz zupfte ein paar Stengel Gras ab und hielt sie Dorothea hin. »Rotklee. Als Kind habe ich die einzelnen Blättchen ausgerupft und den kleinen,

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