Die Salzbaronin
weiterhin so mitmacht und auch sonst alles gut läuft, müssten wir die achtzig Ellen in den nächsten zwei Monaten geschafft haben.« Es ärgerte ihn, dass ihm nichts anderes als der Schachtbau einfiel, worüber er mit ihr hätte sprechen können.
»Zwei Monate sind zu lang. Dann wäre Anfang Juni. Was, wenn Georg früher zurückkommt?«
In ihren Augen sah er etwas aufblitzen, das wie panische Angst auf ihn wirkte. »Hat er sich denn immer noch nicht gemeldet?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Selbst wenn er früher zurückkommt - was wäre dann schon?« Götz zuckte mit den Schultern. Ihn konnte diese Aussicht inzwischen nicht mehr ängstigen. Was sollte Georg schon tun? Er würde den Schacht gewiss nicht einfach zuschütten! Den Schacht gab es, das Heilbad nicht - an dieser Tatsache würde auch der Graf von Graauw nicht vorbeikommen.
»Ich will den ersten Quader Salz aus Rehbach holen, bevor Georg wiederkommt.« Dorotheas Stimme klang fiebrig, wie so oft, wenn sie über ihr Vorhaben sprach. »Nie und nimmer lass’ ich zu, dass Georg unsere Ernte einfährt!« Ihre Stirn war in Falten gelegt. »Wir müssen auch nachts arbeiten - das ist die Lösung! Im Schacht unten macht es keinen Unterschied, ob es Tag oder Nacht ist, und hier oben wäre es mit ein paar Lampen hell genug.«
»Wenns nach dir ginge, würden die Leute bald gar nicht mehr schlafen. Ich habe sie doch erst letzte Woche zu einer Stunde mehr Arbeit überredet - nochmals wird mir das nicht so leicht gelingen.« Götz war ärgerlich. Es war die alte Leier. Er sollte für Dorothea den Ochsentreiber spielen.
»Und warum nicht?« fuhr Dorothea ihn heftig an. »Für wen, wenn nicht für die Rehbacher, wird denn der Schacht gebaut? Ein bisschen Dankbarkeit wäre durchaus angebracht.«
»Sei nicht ungerecht«, rügte er sie barsch. »Die Leute geben doch schon, was sie können. Du darfst nicht vergessen, dass der zweite Schacht viel Kraft kostet.« Ihm wäre nach wie vor wohler gewesen, wenn sie alle Wände des Hauptschachtes ausgemauert hätten. Aber von dieser wesentlich teureren Lösung hatte Dorothea nichts hören wollen. Götz spürte etwas in sich aufwallen, ein Gemisch aus tausend Gefühlen, für das er keinen Namen hatte.
»Der zweite Schacht«, spuckte Dorothea in die Nacht hinein. Abrupt drehte sie sich zu ihm um. »Mit dem ist jetzt auch Schluss! Ich höre immer nur, dass Wasser durch die Wände zu kommen droht, aber Tatsache ist doch, dass bisher noch kein Wasser in den Schacht gekommen ist. Das bisschen, was sich bisher im zweiten Schacht gesammelt hat, würde in ein Dutzend Eimer passen. Wir haben nicht die Zeit, den Wasserschacht einfach auf Verdacht weiterzubauen!«
»Fordere das Schicksal nicht heraus, Dorothea! Das Wasser sucht sich seinen Weg, diese Weisheit ist so alt wie das Wasser selbst, und du kannst nichts dagegen tun!«
Er stand auf. Vielleicht war es besser, sich schlaflos auf dem Lager herumzuwälzen, als sich mit einem launischen Weib abzugeben.
»Bleib noch!« kam es so leise, dass Götz im ersten Moment glaubte, die zwei Worte nur in seiner Einbildung gehört zu haben. Doch als er sich nochmals zu ihr umdrehte, sah er ihre ausgestreckte Hand. Sie trat auf ihn zu wie eine Schlafwandelnde. Zum ersten Mal verbargen ihre Augen nichts vor ihm und gaben ihm doch gleichzeitig neue Rätsel auf: Er sah ihre Einsamkeit und fragte sich, ob es nur die Einsamkeit dieser einen Nacht war. Er sah ihr Verlangen und fragte sich, wonach sie sich so sehnte. Er sah ihre Zerrissenheit und Unsicherheit und wusste nicht, woher sie rührte.
Auf einmal war es nur natürlich, die Arme aufzuhalten.
Und sie kam zu ihm, weil nichts anderes möglich war.
40
Wie so oft in diesen Tagen hatte sich Rosa auf einen der frisch aufgeschütteten Erdhügel gesetzt. Von dort aus, keine 30 Ellen vom Schacht entfernt, sah sie den Leuten zu. Der Schacht war eng und dunkel, zu eng für die vielen Leute, die gleichzeitig bohrten und schaufelten. Es würde sicher nicht lange dauern, bis der erste mit einem gequetschten Finger, einem gestauchten Fuß oder einer Platzwunde am Kopf zu ihr kam. Das war der Grund dafür, dass sie hier in der Frühlingssonne saß, redete sie sich ein, doch tief drinnen wusste sie, dass es die Einsamkeit in ihrer Hütte war, die sie nach draußen jagte.
Als Rosa Götz und Dorothea zusammen sah, wusste sie sofort, was geschehen war: Die beiden waren ein Paar geworden. Je mehr sie versuchten, die zwischen ihnen entstandene Vertraulichkeit zu
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