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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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von den Spuren, die seine Fäuste auf den mageren Leibern seiner Brut schon hinterlassen hatten, konnte Rosa ein Lied singen!
    Götz war noch nicht bei der Toten angelangt, als Hermann aufsprang und ihn am Kittel packte. »Du bist schuld! Du und das elende Weib!« Sein Kinn fuhr in Richtung Dorothea. »Wegen euch ist sie gestorben!« brüllte er. Er drängte Götz nach hinten, bis sie bedrohlich in die Nähe des Schachtes kamen.
    »Bist du von Sinnen, Mann?« schrie er Hermann an. »Willst du mich umbringen?« Er stieß seinen Angreifer von sich weg. Zwei der Männer, die in der Nähe standen, fingen Hermann auf und hielten ihn an den Armen fest.
    »Was ist geschehen?« herrschte Götz den Nächstbesten an. »Wer war mit Ellen unten?«
    »Ich.« Martin Mäul war leichenblass. »Und der Richard, Thomas und Josef. Und dem Josef sein Weib.«
    »Ja und? Verdammt noch mal, mach doch dein Maul auf!«
    Martin Mäul schaute sich hilfesuchend um. »Es ging alles so schnell!
    Ich … eigentlich weiß ich immer noch nicht so recht, wies kam.« Er schaute die Tote an, als könne er ihren Tod immer noch nicht glauben.
    »Die Frau ist ertrunken«, fügte Friedrich Neuborn nüchtern hinzu.
    Der Salinenarzt kam Rosa an diesem Tag noch kleiner und buckliger vor als sonst. Die meiste Zeit saß er in seiner kleinen Kammer, die ihm als Untersuchungszimmer und Schlafraum gleichzeitig diente. Im Dorf ließ er sich nur selten blicken. Warum Harriet stets so schlecht auf dieses kleine, armselige Männchen zu sprechen gewesen war, war für Rosa noch nie nachvollziehbar gewesen.
    »Ertrunken? Wieso ertrunken? Ist Wasser in den Schacht gebrochen, oder was?« schrie Götz.
    Eine Frau fing an zu heulen. Die Leute starrten mit angstgeweiteten Augen in den Schacht, als erwarteten sie, im nächsten Augenblick von ihm verschlungen zu werden.
    »Wasser im Schacht«, wiederholte Josef halblaut.
    Aus den Leuten war nicht mehr herauszukriegen, zu tief saß das Entsetzen. »Ich geh’ jetzt selbst nach unten und schau nach«, sagte Götz in Richtung Dorothea und hatte schon den Holm der Leiter ergriffen, die nach unten führte.
    Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Dorothea wie versteinert dagestanden, ihre Augen auf nichts und niemanden gerichtet, gerade so, als ginge sie das Ganze nichts an. Wie eine Schlafwandlerin war sie um die Tote herumgegangen und hatte sich langsam auf den Boden gesetzt. Doch nun schien sie aus ihrer fremden Welt zu erwachen. Sie drängte die Umstehenden zur Seite, warf sich auf den Boden und hielt Götz ihre Hand hin, als würde er ertrinken. »Bleib bei mir. Verlass mich nicht!« flüsterte sie ihm heiß zu. Doch Götz warf ihr nur einen letzten, eindringlichen Blick zu, dann kletterte er nach unten.
    Kaum dass er fort war, wusste plötzlich jeder etwas zu der Ursache des Unglücks zu sagen. Von Grundwasser war die Rede und davon, dass Ellen nicht schwimmen konnte. Es wurde von Übermüdung gemurmelt, und dass es ja so hatte kommen müssen. Vereinzelt hörte Rosa jemanden über den Himmelfahrtstag murmeln, der in Rehbach gottlos begangen wurde. Auch das Wort von der himmlischen Strafe fiel. Je schärfer die Kommentare, desto giftiger waren die Blicke, die Dorothea zugeworfen wurden. Sich offen gegen die Salzbaronin zu stellen wagte jedoch niemand, alle beließen sie es bei gehässigem Getuschel. Dorothea selbst starrte in den Schacht, als hinge ihr Leben davon ab.
    Rosa versuchte, sich unsichtbar zu machen. Ihre Hilfe als Heilerin benötigte hier niemand, soviel stand fest. »Was tut ihr allesamt so überrascht?« hätte sie der ganzen Bande am liebsten zugeschrien. »Habe ich euch nicht wieder und wieder gewarnt?« Aber niemandem hätten solche Reden geholfen. Womöglich hätten sich die Versammelten sogar auf sie gestürzt, um ihren Unmut abzuladen.
    Es dauerte nicht lange, bis Götz wieder nach oben kam. Er war außer Atem, und seine Hose war bis zu den Schenkeln durchnässt. Zuerst suchten seine Augen nach Dorothea. »Das Grundwasser ist seit gestern um mehr als zehn Ellen gestiegen, aber mehr auch nicht«, sagte er zu ihr. »Ich versteh’ nicht, wie einer da unten zu Tode kommen konnte!« Er runzelte die Stirn und schaute zu Martin Mäul hinüber. »Du hattest doch die Aufsicht, was zum Teufel war also da unten los?«
    Als Martin Mäul schließlich schilderte, was geschehen war, klang das so unbeteiligt, als erzähle er eine Geschichte vom Hörensagen, als wolle er nicht wahrhaben, dass er mitten drin steckte. »Wir waren

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