Die Salzbaronin
ich nicht davon überzeugt bin, dass keine Gefahr durch das Wasser besteht.« Und er hatte hinzugefügt, dass er am frühen Morgen als erstes erneut hinuntersteigen wollte, um die Wände auf weitere Durchbruchstellen zu prüfen. »Wenn ich mit einem guten Gefühl wieder hochkomme, dann kann ich mein Glück mit den Rehbachern versuchen. Aber glaub mir, einfach wird es nicht werden!«
Danach hatte Dorothea so lange geschwiegen, dass Götz schon dachte, sie wäre eingeschlafen.
»Es ist die Kapelle. Die Kapelle«, sagte sie schließlich.
Zuerst hatte Götz geglaubt, sich verhört zu haben. Redete sie im Schlaf?
Doch Dorotheas bis dahin verschleierter Blick war auf einmal wieder klar. »Es ist doch kein Wunder, dass die Rehbacher von Gottes Strafe reden«, fuhr sie fort und erzählte ihm von dem Getuschel, das sie hinter ihrem Rücken wahrgenommen hatte, während Götz unten im Schacht gewesen war. »Jedes bäuerliche Gut, jedes Anwesen, das etwas auf sich hält, nennt wenigstens eine Kapelle sein eigen, und wir in Rehbach haben nicht einmal die! Warum ist das so?«
Er hatte nur mit den Schultern gezuckt. Bisher waren die Rehbacher auch ohne Gotteshaus zurechtgekommen. Wer wollte, konnte schließlich jederzeit die Kirche im Nachbardorf besuchen. »In Rehbach ist halt einiges anders als andernorts«, hatte er düster erwidert.
Dann hatte Dorothea ihm erzählt, was sie über die Kapelle im polnischen Salzberg Wieliczka gelesen hatte. »In Wieliczka haben sie im Schacht drinnen eine kleine Kirche. Ja, eine richtige Kirche aus Holz, mit einem Kreuz und einer Christusfigur und mit Kerzen, die Tag und Nacht brennen. Und mit einem Pfarrer, der nicht nur die Kirche, sondern den ganzen Berg geweiht hat. Dort arbeiten die Leute mit göttlichem Schutz.«
Götz’ Blick war skeptisch geblieben, er hatte immer noch nicht ganz verstanden, worauf sie hinauswollte. Glaubte Dorothea, es fehle ihnen an Gottes Segen? Woher die plötzliche Gottesfurcht? In seinem Leben spielte der liebe Gott keine große Rolle, und er schätzte Dorothea auch nicht so ein.
»Das ist es, was bei uns fehlt. Und das werden wir ändern!« Das erste Lächeln seit ihrem überhasteten Aufbruch im Wald war über ihr Gesicht geflogen.
Ungern erinnerte er sich nun daran, dass auch er hatte grinsen müssen. Verdammt, er konnte dem Weib einfach nicht lange böse sein! »Gibt es eigentlich etwas, wofür du keine Lösung in der Rocktasche stecken hast?« hatte er gefragt. Er war sich nicht sicher, wie ernst er Dorotheas Rede nehmen sollte.
»Bisher noch nicht«, hatte sie ihm geantwortet, doch weder in ihren Augen noch in ihrer Stimme war auch nur ein Hauch von Leichtigkeit gewesen. Statt dessen hatte sie ihre Gedankengänge vor ihm ausgebreitet wie einen Teppich, der sie Schritt für Schritt zum Ziel fuhren würde.
Und nun schlief sie so seelenruhig, als stünde morgen ein Tag wie jeder andere bevor! Kopfschüttelnd starrte er auf sie hinab. Selbst im Schlaf war ihr Kinn eine Spur nach oben gerichtet. Immer wieder machte sie kleine Geräusche, wie das Miauen einer Katze. Sein Brustkorb war auf einmal zu eng für all seine Gefühle. Einen Augenblick lang war Götz versucht, sie zu wecken, doch natürlich ließ er dies bleiben. Für heute hatten sie genug geredet. Besser war, er versuchte ebenfalls einzuschlafen. Er rieb sich die Augen. Dorotheas Plan war gar nicht so schlecht, das musste er zugeben. Aber ob er auch durchführbar war? Er schlief ein, ohne eine befriedigende Antwort gefunden zu haben.
Soviel sie in der Nacht geredet hatten - am nächsten Morgen waren sie um so wortkarger. Götz war als erster wach und ging hinters Haus, um seine Blase zu entleeren. Als er wieder eintrat, war Dorothea dabei, ihre Kleider zurechtzuziehen. Sie flocht ihren Zopf, ohne dafür einen Blick in die blinde Spiegelscherbe zu werfen, die an Götz’ Schranktür hing. Wieder einmal staunte Götz über ihre fehlende Eitelkeit. Tausend Liebkosungen schossen ihm durch den Kopf, doch er nickte ihr nur stumm zu. Dorothea war keine, die dauernd Liebesschwüre hören wollte.
Sie stellte einen Fuß auf den Schemel und band ihren Schuh zu. »Dem Himmel sei Dank, dass das gute Wetter anhält. Den ganzen Weg nach Hall im strömenden Regen zu reiten, danach hätte mir nun wirklich nicht der Sinn gestanden. Und für die Versammlung heute abend können wir Regen auch nicht gebrauchen.«
»Bist du dir sicher, dass ich nicht mitkommen soll?« Dass sie ihn nicht einmal gebeten hatte, sie
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