Die Samenhändlerin (German Edition)
sagte Hannah: »Was würdet ihr eigentlich davon halten, wenn ich ins Elsass reise? Seraphine könnte mich begleiten. Zu zweit würden wir so eine Handelsreise sicher schaffen.«
Auf einen Schlag verstummte das Tischgespräch.
»Wie meinst du das – du und Seraphine?«, fragte Helmut stirnrunzelnd.
Hannah verdrehte die Augen. »Na, wie zwei ordentliche Samenhändlerinnen eben! Mit Zwerchsack und einer guten Ladung Ware im Gepäck. Oder traust du mir das nicht zu?« Sie funkelte ihn an. Wehe, er wagte es, genau das vor allen Leuten zu sagen! Je mehr sie über ihre Idee nachdachte, desto besser gefiel sie ihr. Flora würde schon zurechtkommen, sie war bei ihrer Großmutter gut aufgehoben, und außerdem waren es ja nur wenige Wochen … Und Seraphines Gemeinheiten würde sie sich einfach nicht mehr so zu Herzen nehmen. Vielleicht meinte die andere es gar nicht so böse, vielleicht war sie,Hannah, auch nur besonders empfindlich, was die Schwägerin anging. Hannah blinzelte – darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Viel schöner war der Gedanke, im nächsten Herbst und Winter nicht mehr allein in Gönningen zu sitzen und auf Helmuts Rückkehr zu warten. Sie auf der Reise – so ganz konnte sie sich das noch nicht vorstellen …
»Das kommt gar nicht in Frage!« Helmut plusterte sich auf. »Ihr zwei habt doch überhaupt keine Erfahrung! Und außerdem … Mensch, Valentin, sag doch auch mal was!« Auf seinen Wangen tanzten hektische rote Flecken, die kurz zuvor noch nicht da gewesen waren.
Valentin nickte heftig. »Dein Angebot ehrt dich, aber wir haben uns die Suppe eingebrockt, nun werden wir sie auch auslöffeln!«
»Die Suppe auslöffeln, die ihr euch eingebrockt habt – so ein Blödsinn! Du tust gerade so, als ob ihr euch absichtlich habt überfallen lassen! Das war einfach Pech, es hätte jedem passieren können. Und deshalb finde ich es nur richtig, wenn Seraphine und ich jetzt auch mal unseren Teil zum Geschäft beitragen. Sera, du siehst das doch sicher genauso, oder?« Hannah warf ihrer Schwägerin einen aufmunternden Blick zu, den diese äußerst giftig erwiderte. Warum sagt sie denn nichts, die dumme Kuh?, ärgerte sich Hannah stumm.
Helmut schlug mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass die Krüge wackelten. »Kommt gar nicht in Frage!«, wiederholte er. »Und jetzt will ich nichts mehr davon hören! So weit kommt’s noch, dass ich mir von meinem Weib aus der Patsche helfen lass!«
»Warum denn nicht?«, mischte sich erstmals Wilhelmine ins Gespräch. »Das wäre wirklich eine Hilfe in der derzeitigen Situation. Und das Elsass ist keine gefährliche Ecke, sondern für eine Frau gut zu schaffen.«
»Meine Ecke ein Weiberstrich? Wilhelmine!« GottliebsStimme überschlug sich fast vor Entrüstung. »Darüber reden wir zu Hause noch ein Wörtchen«, zischte er seiner Frau zu.
Hannah, die nun in Wilhelmine eine Mitstreiterin erkannte, ignorierte ihren Schwiegervater geflissentlich. »Mit ein bisschen Vorbereitung schaffen wir das! Wir haben noch den ganzen Sommer Zeit, um alles Wichtige über die Samensorten zu lernen.« Sie wollte nach Helmuts Hand greifen, sie aufmunternd drücken, doch er entzog sich ihr mit einem Ruck. Beleidigt rückte Hannah von ihm ab. Eingebildeter Kerl! Glaubte er, sie schaffe das nicht, nur weil sie ein Weib war?
Lothar Gmeiner warf Hannah einen beifälligen Blick zu. »Wenn der Vorschlag von Sera gekommen wäre, wär das ja nichts Besonderes gewesen. Aber ausgerechnet von dir? Ich muss schon sagen, das hätte ich dir nicht zugetraut.«
Alle Augen – bis auf die der beiden Brüder – richteten sich anerkennend auf Hannah, die sich in der allgemeinen Bewunderung aalte.
32
Es war ein stiller Sommermorgen. Schon um sechs Uhr früh strahlte die Sonne durch die Ritzen in den Fensterläden, zeichnete helle Striche auf das Betttuch.
Valentin liebte den Sommer. Wenn die Tage so lang waren, dass sie kein Ende nahmen. Er liebte das frühe Aufstehen, er liebte es, abends lange auf den Feldern zu arbeiten.
Gleich würde wieder einer dieser Tage beginnen. Er musste nur seine Beine aus dem Bett schwingen, sich ein dünnes Hemd und eine kurze Hose überwerfen. Unten in der Küche würde schon ein Krug mit kalter Buttermilch stehen – mehr brauchte er in dieser Hitze nicht als Morgenmahl.
Aber noch gönnte er sich einen Moment.
Auf den rechten Ellenbogen gestützt, betrachtete er seine Frau. Das tat er oft und gern, vor allem am Morgen, wenn Seraphine noch
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