Die Samenhändlerin (German Edition)
Lächeln.
»Wie werde ich all das hier vermissen! Den Rossberg, die Wiesaz, und vor allem euch alle!« Hannah schlang ihre Arme um Wilhelmine, die sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte. Mit freundlicher Miene löste sich die Schwiegermutter aus der Umklammerung. Wie einem kleinen Kind kniff sie Hannah in die Wangen.
»Also, dass sich eine Auswärtige so sehr in unser Gönningen verlieben kann, hätte ich nicht gedacht. Aber denk daran: Das mit der Reise ist deine Idee gewesen …«
Hannah nickte. »Einerseits bin ich schrecklich aufgeregt und freue mich riesig. Aber dann wieder, wenn ich an die Kleine denke …« Sie blickte zu Helmut und Flora, und ihr Gesicht verdunkelte sich. Wenn sie sich jetzt nicht beherrschte, würde sie losheulen und nicht mehr aufhören. Ach, wenn das Abschiednehmen doch bloß schon hinter ihr läge!
Helmut lachte. »Jetzt weißt du, wie ich mich fühle, wenn’s wieder mal so weit ist.«
Er setzte Flora auf dem Boden ab und hob Hannahs Zwerchsack auf.
»Es sind ja nur ein paar Wochen, und wer weiß, vielleicht findest du auch Gefallen an der Reise? Wenn nicht, dann heißt es einfach Zähne zusammenbeißen!« Gekonnt befestigte er die Riemen des Zwerchsacks unter Hannahs Achseln.
»Habt ihr meine Wegbeschreibung eingepackt?« Mit eiligen Schritten kam Gottlieb aus Richtung Rathaus herangeeilt. »Denkt dran: Wenn ihr bei der ›Adler‹-Wirtin in Herrenberg übernachtet, dann müsst ihr sie an den Sonderpreis erinnern, den ich –«
»Wir werden an alles denken, was du uns gesagt hast«,unterbrach Hannah ihren Schwiegervater beruhigend. Umständlich zog sie einen dicken Schreibblock aus ihrer Kleidertasche. »Alles dabei, siehst du?« Wann sie die vielen Seiten mit Anweisungen lesen sollte, war ihr noch unklar.
Der alte Mann verzog das Gesicht. »Am liebsten würde ich ja doch selbst …«
Hannah strich ihm über die Wange, was ihn erschrocken zurückweichen ließ – Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit war er nicht gewohnt.
»Mach du lieber den Tübingern Dampf, damit wir recht bald unsere eigene Poststation bekommen! Wir werden deinen alten Samenstrich schon ordentlich beackern.« Hannah staunte, wie fest ihre Stimme klang, wo ihre Knie doch wie Espenlaub zitterten. Sie hatte sich schon wieder halb zu Helmut umgewandt, als sie erneut zu Gottlieb herumfuhr. »Und du bist dir wirklich sicher, dass wir kein Gewerbepatent brauchen? Was, wenn Seraphine und ich angehalten und nach so etwas gefragt werden?«
Erst im Vorjahr war eine neue Hausierordnung erlassen worden, und an allen Stammtischen wurde seit längerem heftig darüber diskutiert. Was, wenn Gottlieb doch nicht so gut Bescheid wusste, wie er vorgab? Die Ausstellung solcher Papiere würde sicher Tage dauern, ihre Abreise würde sich verzögern, vielleicht gar nicht stattfinden …
Gottlieb schüttelte den Kopf. »Ein Gewerbepatent brauchst du nur, wenn du im Inland reist, fürs Ausland reicht ein Reisepass und den hast du ja.«
Hannah nickte kläglich und straffte dann ihre Schultern. Der schwere Zwerchsack drückte schon jetzt unangenehm auf ihr Kreuz. Inzwischen hatte sich auch Seraphine zu ihnen gesellt. Valentin stand mit leerem Blick hinter ihr.
Mit einem leisen Jammern warf sich Hannah erneut an Helmuts Brust, doch er schob sie sanft von sich.
»Geht jetzt, das Abschiednehmen wird nicht leichter, wenn man es lange hinauszögert.«
Sie hatten die letzten Häuser Gönningens noch nicht hinter sich gelassen, als Hannah in Tränen ausbrach.
»Ich kann nicht … Flora!« Heftige Schluchzer schüttelten sie und den Zwerchsack bei jedem Schritt.
»Nun gräm dich nicht«, kam es leise von Seraphine.
Inmitten ihrer Schluchzer wusste Hannah zunächst nicht, ob sie richtig gehört hatte. Seraphine wollte sie trösten ? Geräuschvoll schnäuzte sie in ihr Taschentuch.
Ein leises Lächeln erschien auf Seraphines Gesicht. »So ist’s besser. Und wenn wir schon einmal dabei sind – wollen wir nicht endlich Frieden schließen? Nicht mehr streiten, sondern zusammenhalten?« Sie legte ihren Kopf schräg wie ein Eichhörnchen, das eine besonders schöne Nuss im Auge hat. »Die Reise wird uns dann umso leichter fallen.«
Mitten im Naseputzen hielt Hannah inne. Argwöhnisch starrte sie auf die Hand, die Seraphine ihr hinhielt. Was waren denn das für unvermittelt neue Töne? Dahinter steckte doch bestimmt wieder irgendeine niedere Absicht …
»Also gut«, sagte sie dennoch und schlug in die ausgestreckte Hand
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