Die Samenhändlerin (German Edition)
wäre.
Vielleicht konnte sie das Blut selbst zum Fließen bringen? Das Kind herausholen, so wie es hineingekommen war.
Probeweise schob Seraphine einen Finger hinauf in die Höhle, in der sie das Nest vermutete.
Nichts. Es musste tiefer liegen.
Vielleicht war es aber auch so klein, dass man es mit der bloßen Hand noch nicht spüren konnte. Es dauerte schließlich lange, bis man einer Frau die Schwangerschaft ansah.
Sie brauchte etwas anderes. Einen langen Gegenstand, einen spitzen noch dazu, so einfach würde sich das Kind nicht herauskratzen lassen.
Halb sitzend, halb liegend schaute sich Seraphine im Zimmer um.
Ihre Pinsel! Da, auf dem Tisch.
Am Vorabend hatte sie sich an einem Bild versucht – die Wiese mit den Apfelbäumen, dahinter die untergehende Sonne. Die kleinen, noch unreifen Äpfel waren ihr gut gelungen, doch dann war ihre Sonne in einem dicken Wust dunkler Wolken ertrunken, und sie hatte das Bild zerrissen.
Schöpfung und Zerstörung lagen nahe beieinander …
Seraphine stand auf und ging zu dem Tisch. Welchen Pinsel sollte sie nehmen? Sie wählte den größten und huschte zurück in ihr Bett.
Der Schmerz war erträglich, sie hatte Erfahrung, mit Schmerz zu leben. Seelischer Schmerz oder körperlicher – wo war der Unterschied? Sie biss die Zähne aufeinander, hörte, wie ihre Kiefer knirschten. Das und ihr lautes Atmen waren die einzigen Geräusche im Raum. Sie durfte das Atmen nicht vergessen, durfte nicht ohnmächtig werden … Für Helmut.
Sternenfee, pass auf mich auf.
Ein Widerstand war zu spüren, etwas Weiches … Dieses Kind war ein Teil von ihr … sie wollte nicht darüber nachdenken … bohrte weiter. Alles wurde noch weicher, warm, nass. Es tat so weh … weh …
Sie hatte nicht daran gedacht, ein altes Tuch im Bettauszulegen! Wenn es klappte, wenn ihr Plan aufging, würde alles voller Blut sein, womöglich würde man sogar sehen, was da …
Seraphine hielt inne, legte ihr Werkzeug zur Seite. Halb ohnmächtig vor Schmerz erhob sie sich, torkelte zum Schrank, wühlte nach den Lumpen, die sie für ihre monatliche Blutung verwendete. Zu spät. Blut lief an ihren Beinen hinab, hellrot, in einem heißen Strahl.
Hastig schob sie sich den ganzen Packen Lumpen zwischen die Beine. Das tat gut. Mit letzter Kraft schaffte sie es zurück ins Bett. Den Pinsel ließ sie hinter die Rückwand fallen. Keine Spuren … Sie war schlau. Der Gedanke, alles im Griff zu haben, beruhigte sie. Sie schloss die Augen, gab sich den Wellen von Schmerz hin, die sie überspülten.
Schon nach kurzer Zeit spürte sie, wie die Lumpen weich und warm wurden. So viel Blut?
Sie hatte es geschafft. Das Kind war aus seinem Nest gestoßen worden, hier würde nichts mehr wachsen, nichts mehr, nichts außer ihrer großen Liebe …
Als Valentin eine Stunde später auf Geheiß seiner Mutter Seraphine wecken wollte – die Frauen waren zum Beerenpflücken verabredet –, glaubte er zuerst, sie wäre noch einmal besonders tief eingeschlafen. Doch als sie selbst auf sein Rütteln hin nicht reagierte, wurde er stutzig. Einer Eingebung folgend, hob er die Bettdecke und erschrak zu Tode. Blut! Überall Blut.
Der eilig hinzugerufene junge Arzt hatte so etwas noch nie gesehen und war äußerst besorgt. Nachdem er Seraphine mit einem Riechfläschchen aus ihrer Ohnmacht geweckt hatte, schaute er sie ratlos an. Die Krämpfe hätten schon in der Nacht angefangen, sagte sie. Es wäre die Zeit ihrer monatlichen Blutung, die bei ihr immer sehr heftig ausfallen würde. Eine Frauensache eben, kein Grund, sich Sorgen zu machen …
Der Arzt tätschelte ihr den Arm. Sie war noch eine jungeFrau, solche Blutungen würden sich im reiferen Alter geben. Der Blutverlust, dazu die Hitze … Und Seraphine war sowieso ein recht blutarmes Wesen. Da konnte eine Ohnmacht schon einmal vorkommen.
Seraphine lächelte schwach.
Der Doktor schrieb etwas auf, empfahl Seraphine außerdem, einen Saft aus Roten Beten zu trinken, da dies der Blutbildung sehr dienlich sei, und riet ihr, sich zu schonen.
Valentin stürzte aus dem Haus, um die vom Arzt verschriebenen Stärkungsmittel zu holen. Am liebsten hätte er auch etwas gegen sein schlechtes Gewissen verlangt. Da denk ich noch, sie liegt da wie eine Leiche, und komme nicht auf den Gedanken, sie zu fragen, ob es ihr gut geht!, schalt er sich immer wieder. Wer weiß, wie lange sie schon Monat für Monat gelitten hat? War es da ein Wunder, dass eine Frau kühl und abweisend
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