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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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vielleicht …
    Valentin war ein guter Mann, das Leben an seiner Seite bequem. Vielleicht hätte sie ihn sogar lieben können, wenn es Helmut nicht gäbe.
    Helmut war ihre Liebe, ihr Leben, ihr Fluch. Das konnte Evelyn natürlich nicht wissen.
    Seraphine presste beide Hände an ihre Brust. Dieses heiße Gefühl von Zuversicht, das in ihrem Innersten brannte!
    Sie würde Helmut zurückgewinnen.
    Aber dazu musste sie Pläne schmieden und diese besser heute als morgen in die Tat umsetzen. Keine Angst mehr haben, unbeirrbar sein, stark. Stärker sogar als Evelyn, die zu lange gewartet hatte. Das hatte sie doch selbst zugegeben, oder? »Hätte ich statt zu warten nur mein Leben in die Hand genommen …«
    Das Leben in die Hand nehmen – genau das hatte Seraphine vor!

36
    Noch nie in ihrem Leben hatte sich Hannah so elend gefühlt. Und so einsam.
    Sie konnte nicht laufen, nicht einmal zu humpeln vermochte sie in den ersten Tagen. Sobald sie mit dem verletzten Bein auftrat, knickte es weg. Bei jeder noch so kleinen Drehung des rechten Fußes schoss der Schmerz bis hinauf in die Hüfte. Inzwischen schmerzte sogar schon das unverletzte linke Bein! Wehleidiges Ding, schimpfte sie sich, doch die Schmerzen waren stärker als ihre sonst so robuste Natur und übermanntensie immer wieder. Dank Evelyns Kräuterkompressen hatten sich die offenen Wunden nicht entzündet, aber mehr richteten die Kräuter nicht aus.
    Gleich am nächsten Morgen war Evelyn in den Wald gegangen und mit zwei Astgabeln zurückgekommen. Aus denen hatte sie Krücken geschnitzt und sie Hannah zum Probelaufen gegeben. Sie will uns so schnell wie möglich loswerden, war es Hannah durch den Kopf geschossen. Mühsam hatte sie sich aufgerappelt, Evelyn die Krücken aus der Hand gerissen und diese unter die Achseln geschoben, wo das roh geschnitzte Holz ihr sofort einen Splitter ins Fleisch jagte. Eine Krücke war ein wenig kürzer als die andere, und Hannah war mit einem lauten »Klack-Klack« durch den Raum gehumpelt. Ganze fünf Schritte, dann hatte ihr rechtes Bein so heftig zu pochen begonnen, dass ihr Tränen in die Augen geschossen waren. Sie wurden durch Evelyns ärgerliche Miene nicht gerade zum Versiegen gebracht.
    Da Laufen außer Frage stand, mit und ohne Krücken, war Hannah an ihr unbequemes Lager gefesselt, den lieben langen Tag. Wenn sie wenigstens jemanden zum Reden gehabt hätte! Das hätte ihr die Zeit und die trüben Gedanken vertrieben. Hätte ihr Heimweh vielleicht ein wenig gemildert, ihre Sehnsucht nach Flora, nach Helmut, nach ihrem Zuhause. Aber es war niemand da, der ihre Tränen trocknete, ihr Mut zusprach, sie einmal in den Arm nahm.
    So faul Seraphine zu Hause war, so betriebsam werkelte sie plötzlich auf Evelyns Hof herum und half bei kleineren Reparaturen. Hannah hatte bisher nicht einmal gewusst, dass Seraphine einen Hammer in die Hand nehmen konnte. Hier aber kletterte die Schwägerin sogar auf dem Dach herum, um morsche Latten auszubessern! Sie half beim Ausmisten des Hühnerstalls, holte ohne Klagen Wasser oder stapfte zu einem nahegelegenen Bach, um Wäsche zu waschen. Evelyn musste nur »Hü!« sagen, und Seraphine sprang. Es fehlte lediglich, dass sie freudig dabei wieherte, dachte Hannah zornig, während sie untätig in der düsteren Stube saß. Die beiden schienen beste Freundinnen geworden zu sein und sprachen in einer Art miteinander, die Hannah seltsam fand. Manchmal hatte sie sogar das Gefühl, sie redeten miteinander, ohne den Mund zu öffnen! Als ob sie gegenseitig ihre Gedanken lesen konnten. Zwischen Seraphine und ihr hatte es nie solch ein Verständnis gegeben. Hannah ertappte sich dabei, eifersüchtig auf die verschrobene Einsiedlerin zu sein.
    Da die Schmerzen so gar nicht weniger wurden, war Hannah überzeugt davon, dass der Knöchel gebrochen war. Wenn wenigstens ein Arzt in der Nähe gewesen wäre, um sich die Verletzung anzuschauen! Ein Arzt aus Herrenberg würde sich nicht bequemen, hier heraus auf den Hof zu kommen, sagte Evelyn jedoch in solch einem bestimmten Ton, dass Hannah nichts dagegen einzuwenden wagte. Außerdem hätte ein Arztbesuch Geld gekostet. Sie hatten zwar Geld, aber es war für ihre Reisekosten – Übernachtung und Verpflegung – bestimmt. Deshalb scheute Hannah davor zurück, es für sich selbst zu beanspruchen.
    Jeden Abend vor dem Einschlafen redete sie sich ein, dass es am nächsten Tag sicherlich besser sein würde. Morgen früh ist das Bein abgeschwollen, und wir können

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