Die Samenhändlerin (German Edition)
glaub ich nicht, das kann nicht sein!«
»Glaub, was du willst!«, erwiderte Seraphine schnippisch. »Warum sollte Valentin mich anlügen? Warum sollte er sich und Helmut in einem schlechteren Licht darstellen als nötig? Wobei er allerdings betonte, dass die ganze Sache Helmuts Idee gewesen war.«
»Aber …« Hannah schluckte. Helmut und andere Weiber. Log seine Frau an. Hielt sie zum Narren. Krampfhaftklammerte sie sich an der Lehne der Bank fest, bis ihre Knöchel weiß hervortraten. Tränen rannen nun heiß über ihre kalte Haut. Hannah stieß ein Wimmern aus. Es klang wie von einem verängstigten Kätzchen.
»Jetzt tu doch nicht so entsetzt! Helmut ist halt immer noch der Alte. Er hat schon auf seinen Reisen herumgehurt, als er mit mir verlobt war, und er tut es immer noch. Hast du allen Ernstes geglaubt, du hättest ihn geändert?« Seraphines Stimme kippte.
Meint sie das wirklich alles so, oder will sie mich mit ihren bösen Worten nur quälen?, fragte sich Hannah einen Moment lang, doch ihre Verwirrung war zu groß, als dass sie länger darüber hätte nachdenken können.
Erbarmungslos fuhr Seraphine fort: » Du mit deiner dummen Idee, die Waren im Frühjahr zu verschicken, hast es doch erst möglich gemacht, dass Helmut nach Russland reisen konnte! Dass er seine ›Träume‹ ausleben konnte! Ha – tolle Träume waren das. Und d u hast hinterher unbedingt helfen müssen. Nun schau dir an, wohin es uns gebracht hat: Liegst hier wie ein Krüppel, und ich kann sehen, wo und wie ich zu Geld komme! Du bist nichts als eine Last!«
Hannah erschauderte.
»Ja, die Wahrheit tut weh, liebe Schwägerin. Aber es wird Zeit, dass du ihr endlich ins Auge siehst. Die ach so kluge Hannah mit ihren Patentrezepten weiß nämlich in Wahrheit überhaupt nicht, wo der Hase lang läuft!« Genussvoll spuckte Seraphine jedes Wort aus. »Kommst als Reing’schmeckte daher und willst uns Gönningern erklären, wie die Welt funktioniert!«
Alles eine Lüge? Helmut … Träume … Krüppel … Wie durch einen Nebel nahm Hannah nur noch Wortfetzen wahr.
»Wie konnte er das tun?« Hannahs Stimme klang heiser, war kaum noch zu vernehmen.
» Ich soll dir erklären, was in deinem Mann vorgeht?Ausgerechnet ich? Wo du doch viel besser weißt, wie’s in ihm ausschaut!« Seraphine lachte, erhob sich ungestüm und verließ den Raum.
Eine Stunde später zogen Seraphine und Evelyn los, bepackt mit den beiden Zwerchsäcken. Sie hatten sich zuletzt doch dafür entschieden, die Samen so schnell wie möglich in der näheren Umgebung zu verkaufen. Evelyn hatte Hannah zuvor etwas zu essen hingestellt, und Seraphine hatte ihr vorgeschlagen, sich doch auf die Bank vors Haus zu setzen und die letzten Sonnenstrahlen zu genießen. Als ob nichts gewesen wäre.
Hannah starrte unentwegt ins Leere.
Helmut hatte sie belogen und betrogen. Und wieder war es Seraphine gewesen, die Bescheid wusste. Hannah konnte nicht sagen, welcher Verrat mehr wehtat.
Für Stunden blieb sie auf der Bank im Haus sitzen, wiegte sich weinend vor und zurück, wund an Geist und Körper. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können, alles war zu eng, keine Luft mehr, kein Leben. Nur Schmerz, so rot und gierig wie Feuer.
Als sie es nicht mehr aushielt, humpelte sie nach draußen. Sofort kam der Hund schwanzwedelnd angerannt, reckte sich Hannah entgegen, so weit seine Kette das erlaubte. Hannah kniete sich zu ihm hinab und begann ihn mit zittriger Hand zu kraulen. Mit entspannten Lefzen gab sich das Tier den Streicheleien hin. Doch bald darauf rieb es seine Schnauze an ihrer Brust. Zuerst erschrak Hannah – so etwas hatte noch kein Hund getan. Doch dann merkte sie, dass er sie ebenfalls streicheln wollte, als ob er ihre Traurigkeit spürte. Die Vorstellung hatte etwas seltsam Tröstliches. Nach einer Weile zitterte Hannahs Hand weniger. Vorsichtig holte sie Luft und merkte, dass der eiserne Käfig, der ihre Brust umspannt hatte, sich dabei weitete. Als sie daraufhin wie eine Erstickende laute Schnaufervon sich gab, schaute der Hund mit einem verwunderten Blick zu ihr auf. Unwillkürlich musste Hannah lachen. »Du hältst mich für ganz schön verrückt, nicht wahr?«
Sie strich über seinen Kopf, und als sie eine Zecke hinter dem rechten Ohr bemerkte, drehte sie diese mit ungeübter Hand heraus. Dann suchte sie das Tier nach weiteren Blutsaugern ab, fand eine Zecke unter der Kette am Hals, eine am Genick, daneben noch eine. Der Hund ließ alles mit sich
Weitere Kostenlose Bücher