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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Tag nicht. Schließlich sind ein, zwei schlechte Ernten hintereinander doch nichts Ungewöhnliches. An magere Jahre sind wir alle gewöhnt, irgendwann folgen auch wieder fette – so ist das im Leben.
    Doch wir stritten weiter. Vielleicht hätte ich öfter mal meinen Mund halten sollen, aber wenn er besoffen war, konnte ich es ihm ohnehin nicht recht machen. Blieb ich stumm, war ich eine verstockte Ziege, gab ich ihm eine Antwort, war ich ein freches Weibsbild. Immer wieder schlug er zu. Und immer wieder hoffte ich, dass es das letzte Mal sei. Dass er wieder der Alte werden würde, ein ganz gewöhnlicher, rechtschaffener Mann. Ha, da hätte ich lange warten können! Ich versuchte, meinen Bauch zu schützen, drehte mich so, dass mein Rücken die Hiebe abbekam. Eines Tages aber …« Sie holte tief Luft.
    Jede Einzelheit dieses Tages war ihr für immer ins Gedächtnis eingebrannt. Sie wusste noch, dass es im ganzen Haus nach Sauerkraut gerochen hatte. Neblig war es gewesen, ein Tag, an dem es nie richtig hell wurde. Der Hund hatte sich in der Nacht von der Kette befreit und war nass und räudig und mit blutigem Maul von seiner Jagd zurückgekommen. Er war schon immer ein Wilderer gewesen, mehrmals hatten sie mit dem Förster deswegen Ärger bekommen. Der Hund war der Auslöser für den Streit, ihr Mann warf ihr vor, ihn nicht richtig angekettet zu haben.
    »Er stieß mich die Treppe hinunter. Es sind nur ein paar Stufen, aber es hat gereicht. Ich verlor auch dieses Kind. Tagelang hab ich geblutet. Wäre ich doch damals nur gestorben! Das wäre ein gut meinendes Schicksal gewesen! Aber ich lebte. Musste ihm Tag für Tag gegenübersitzen, sein Essen kochen, seine zerlumpten Hosen waschen. Nie hat er ein Wort über die Angelegenheit verloren.«
    Seraphine schluckte. »Und dann …?«
    »Habe ich die Sache selbst in die Hand genommen. Er verschwand von einem Tag auf den anderen – Schicksal!« Evelyn lachte ironisch.
    Seraphine schwieg, zerpflückte ihre Brothälfte in winzige Krümel.
    Von der Bank her war ein Geräusch zu hören. Hannah seufzte laut im Schlaf.
    Irgendwann schaute Seraphine auf. »Es war zu spät, nicht wahr?«
    Evelyn nickte stumm. »Nacht für Nacht verfolgen mich die Schreie meiner ungeborenen Kinder. Hätte ich früher reagiert, mir von diesem Scheusal nicht alles gefallen lassen, könnte eines heute leben.«
    Ihre verkrampften Muskeln lockerten sich ein wenig, der Knoten in ihrem Hals tat nicht mehr ganz so weh. Sie hatte gewusst, dass Seraphine nicht nachfragen würde. Verschwunden? Wie? Warum?
    »Die Leute in der Gegend glauben, er habe sich aus dem Staub gemacht. Bei so einer Frau ist das doch kein Wunder! Überall hat er schlecht von mir geredet, sogar mein eigener Vater will nichts mehr von mir wissen. Mir ist das egal. Sollen sie glauben, was sie wollen. Ein paar Mal war der Büttel da, wollte genau wissen, was an dem Tag geschah, als er verschwand. Von den anderen Tagen wollte er nichts wissen. Niemand will davon etwas wissen.«
    Gedankenverloren starrte Evelyn vor sich hin, dann suchte sie erneut Seraphines Blick, ließ ihn nicht mehr los.
    »Wenn du meinen Rat hören willst: Vergiss diesen Mann! Und rede nie mehr davon, dir das Schicksal gefügig machen zu wollen. Schau mich an: Auch ich bin jahrelang einer Illusion hinterhergerannt. Habe einfach nicht wahrhaben wollen, dass der Schnaps Kurt für immer in seinen Fängen halten würde.Dass nichts mehr so werden würde, wie es einmal war. So, wie du nicht wahrhaben willst, dass dieser Helmut nichts mehr für dich empfindet. Die Himmelsmächte habe ich angefleht! Und was hat es mir gebracht? Gar nichts. Hätte ich stattdessen nur mein Leben in die Hand genommen! Wenn ich meinen Vater lange genug darum angegangen wäre, hätte er mich bestimmt wieder auf seinem Hof leben lassen. Wenn nicht, hätte ich immer noch weglaufen können. Und irgendwo in Frieden leben. Mit meinem Kind. Nichts davon habe ich getan. Stattdessen habe ich stillgehalten, tatenlos – denn die Taten habe ich ja ihm überlassen!« Evelyn lachte rau.
    »Dass Helmut nichts mehr für mich empfindet, stimmt nicht!«, schrie Seraphine auf. Sie warf einen Blick auf Hannah, seufzte, fuhr dann mit leiserer Stimme fort: »Was du erdulden musstest, ist einfach furchtbar, diese ganze Geschichte ist schrecklich, aber sie ist doch nicht mit Helmuts und meiner Geschichte zu vergleichen! Bei mir geht es doch um etwas ganz anderes.«
    »Ach ja?«, antwortete Evelyn spitz. »Schau dich

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