Die Samenhändlerin (German Edition)
geschehen. Als Hannah mit seiner Fellpflege fertig war, legte er sich auf den Rücken und streckte ihr den Bauch entgegen, als wollte er sagen: Mach hier bitte weiter! Hannah lächelte. Den Rücken an die Wand gelehnt, das verletzte Bein von sich gestreckt, setzte sie sich neben das Tier. Sie spürte, wie sie nach und nach ruhiger wurde, wie sich ihre Gesichtszüge entspannten. Mit einem Seufzer schloss sie die Augen, fühlte die lauen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht.
Vielleicht war alles gar nicht so schlimm.
Vielleicht hatte Seraphine vorhin nur auf ganz besonders böse Art ihr Gift verspritzt.
Woher sollte sie so genau wissen, was damals in Wien vorgefallen war und was nicht? Als ob Valentin seiner Frau haarklein irgendwelche Weibergeschichten beichten würde! Wenn er überhaupt etwas erzählt hatte, dann hatte Seraphine seine Worte bestimmt falsch gedeutet.
Und wenn nicht?
Jäh riss Hannah die Augen auf, die sofort vom Sonnenlicht zu tränen begannen. Was, wenn Helmut sie wirklich nach Strich und Faden betrog?
Nein, das konnte sie einfach nicht glauben. So etwas würde sie doch spüren, oder? Bestimmt waren die Vorgänge in Wien ganz harmlos gewesen: ein Plausch, ein wenig Schäkern mit hübschen Mädchen bei einem Glas Wein oder Bier – allein diese Vorstellung machte Hannah wütend und eifersüchtig …Aber so etwas konnte man einem Mann nicht verbieten, und einem Samenhändler schon gar nicht!
Seufzend tätschelte Hannah den Kopf des Hundes. »Seraphine wollte mir bestimmt nur eins auswischen. Und ich falle auch noch darauf herein!«
Sosehr sie sich auch an diesen Gedanken klammerte – die Zweifel, die Seraphines Worte gesät hatten, wurde sie nicht mehr los. Sie musste mit Helmut reden – erst dann würde sie wieder ihren Frieden finden.
Aber bis dahin wollte sie sich von Seraphines Giftspritzerei nicht länger verrückt machen lassen.
Sie biss sich auf die Unterlippe. Und wenn Helmut doch –
37
Zwei Wochen später hatte Seraphine fast die ganzen Sämereien verkauft, und Hannah konnte immer noch nicht richtig laufen. Evelyn marschierte daraufhin zu einem der Nachbarhöfe und überredete einen Bauern, die beiden Frauen mit seinem Gespann nach Gönningen zu kutschieren.
»Musstest du Evelyn wirklich so viel Geld geben? Der übrig gebliebene Samen allein hätte es auch getan! Davon kann sie Gemüse für eine ganze Familie anbauen!«, zischte Hannah, kaum dass sie auf dem Wagen saßen. Die Gans, eingepfercht in einem Korb zwischen ihnen, wurde durch Hannahs Zischen hellhörig und begann aufgeregt zu schnattern. Wütend warf Hannah ihr einen Blick zu. Evelyns Abschiedsgeschenk – darauf hätten sie weiß Gott verzichten können!
Seraphine, die Evelyns kleiner werdender Gestalt zuwinkte, fuhr herum.
»Ich weiß ja nicht, wie es bei euch in Nürnberg ist, aber bei uns sagt man: Ist sie’s nicht würdig, so ist sie’s bedürftig! Dass Evelyn fast am Hungertuch nagt, hast du doch wohl auch mitgekriegt. Außerdem finde ich, dass sie sehr wohl des Geldes würdig ist! Sogar eine ihrer wenigen Gänse hat sie uns geschenkt. Und sie hat uns ein Dach über dem Kopf gegeben, uns verköstigt, mir beim Verkaufen geholfen.«
Hannah lachte auf. »Das war ja wohl das Mindeste, was sie tun konnte, nachdem sie für meinen Unfall verantwortlich war. Außerdem hast du dir Kost und Logis mehr als verdient – so viel, wie du auf dem Hof herumgewerkelt hast.«
Seraphine warf einen bedeutungsvollen Blick auf Hannahs rechtes, immer noch bandagiertes Bein.
» Ich schon …«, sagte sie langgezogen.
Und Hannah verstummte.
Da die beiden Pferde schon alt waren und nur langsam von der Stelle kamen, mussten sie notgedrungen auf halbem Weg ihr Nachtlager einrichten, obwohl Hannah am liebsten durchgefahren wäre. Der Bauer – ein einsilbiger Mann mit einer Hasenscharte, die ihn nur undeutlich nuscheln ließ – bot an, die Frauen in einem nahe gelegenen Wirtshaus abzusetzen und am nächsten Morgen wieder abzuholen. Doch nach kurzer Beratung beschlossen sie, das Geld zu sparen und auf dem Wagen zu übernachten, falls sich der Mann bereit erklärte, daneben oder darunter zu schlafen.
Es war eine trübe, wolkenreiche Nacht, aber nicht sonderlich kalt. Hannah, die vom Gerumpel der vielen Stunden auf dem Wagen erneut starke Schmerzen hatte, fielen die Augen zu, kaum dass sie sich mit ihrem Umhang zugedeckt hatte. Der leere Zwerchsack diente ihr als Kissen.
Sie war gerade dabei einzuschlafen, als sich Seraphine
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