Die Samenhändlerin (German Edition)
vom Markt zurückkehre.« Mit jedem Wort traf Valentin ein heißer Atemzug.
»Sie sind doch längst eine reiche Frau!« Die Worte purzelten aus seinem Mund, bevor er etwas dagegen tun konnte. »Ihre Fröhlichkeit – die ist doch mit keinem Geld der Welt aufzuwiegen.« Er spürte, wie ihm augenblicklich die Röte ins Gesicht schoss.
Was fiel ihm ein, einem fremden Weib solche Dinge zu sagen? War es ihr eigentümlicher Duft – nach Kampfer oder bitteren Kräutern –, von dem ihm ganz schwindlig wurde? Oder war es die Erleichterung darüber, dass Margarita ihm seine Langeweile vertrieben hatte?
»Ein württembergischer Philosoph!« Sie klatschte in die Hände. Im nächsten Moment mussten sie beide lachen.
Einträchtig füllten sie anschließend Zwiebeln in die Säcke ab, während Margarita von diesem und jenem erzählte.
Sie war zufrieden damit, einen stillen Zuhörer zu haben. Wenn sie eine Frage stellte, beantwortete sie diese im selben Atemzug selbst. Wenn sie einen Scherz machte, war sie die Erste, die loslachte. Sie schien sich selbst zu genügen und strahlte dabei eine Zufriedenheit aus, die Valentin geradezu neidisch machte.
Obwohl inzwischen selbst die Brise, die vom Meer zu ihnen wehte, nichts mehr gegen die Sommerhitze ausrichten konnte, fühlte sich Valentin so wohl wie schon lange nicht mehr. Vergessen war sein Hunger, vergessen der Ausflug ans Meer. Vergessen war sogar Seraphine, zumindest fast.
Margarita war so erfrischend unkompliziert!
»Sie lachen mich aus!«, rief sie gerade entsetzt. »Halten Sie den Gedanken, dass eine Frau auf einem Walfängerboot anheuert, für so abwegig?«
»Ehrlich gesagt, ja!«, antwortete er und wischte den Gedanken an Seraphine fort. Sollte sie doch malen, bis sie schwarz wurde! »Aber gelacht habe ich, weil es mir gerade … so gut geht!«
Sie hob fragend die Augenbrauen. Wie sollte er ihr erklären, dass er seit der Abreise aus Gönningen nicht mehr richtig hatte durchatmen können? Dass er ständig das Gefühl hatte, auf der Hut sein zu müssen? Vor der eigenen Frau und deren Launen …
Seraphines Kälte ihm gegenüber umspannte seinen Brustkorb wie ein Eisenring, drückte ihm die Luft ab, raubte ihm Kraft, Mut, Zuversicht. Und dann ihre Empfindlichkeit! Inzwischen legte er jedes Wort ihr gegenüber auf die Goldwaage, weil er ständig befürchten musste, dass irgendeine harmlose Bemerkung sie in dumpfes Grübeln verfallen ließ. Hannahund Helmut hatten es leicht – sie konnten Seraphines Launen ignorieren und sich trotzdem einen schönen Tag machen. Ihm fiel das weitaus schwerer.
Als er seine Bemerkung nicht weiter ausführte, sagte sie: »Na gut, vergessen wir den Walfang. Vielleicht sollte ich mich den Jahrmarktleuten anschließen, die gerade in Haarlem ihre Zelte aufgeschlagen haben. Als was, glauben Sie, könnten die mich dort gebrauchen?«
Er runzelte in gespieltem Ernst die Stirn. »Vielleicht könnten Sie dort mit Tulpenzwiebeln jonglieren?«
»Wie langweilig!«, rief Margarita. »Nein, dann heuere ich lieber auf einem der Schiffe an, die mit den Tulpenzwiebeln meines Vaters in fremde Länder fahren. Nach Amerika vielleicht? Was halten Sie von Amerika? Wäre das abenteuerlich genug? Ob dort genügend Überraschungen auf mich warten würden? Die Schifffahrt auf hoher See ist nicht einfach, es kommt immer wieder vor, dass selbst erfahrene Seeleute auf eine Sandbank auflaufen. Bestimmt würde der Kapitän mich mit Handkuss nehmen, damit ich ihm beim Navigieren helfe! Und wenn nicht, kann ich immer noch die Kisten bewachen«, fügte sie so ernsthaft hinzu, als stünde eine derartige Reise kurz bevor. Abwesend ließ sie eine letzte Tulpenzwiebel in ihren Sack plumpsen, bevor sie ihn mit einer Schnur zuband.
Valentin lachte aus vollem Hals. »Amerika geht aber nur, wenn Sie mich mitnehmen! Denn Sie müssen wissen: Eine Reise nach Amerika ist eigentlich mein Traum …«
»Ein württembergischer, philosophierender Träumer!« Margarita schüttelte den Kopf. »Unsere Reise nach Amerika scheint vielversprechend zu werden …«
Vergnügt malten sie ihre Visionen immer weiter aus. Sie waren so in ihr Spiel vertieft, dass keiner von beiden den Schatten bemerkte, der plötzlich über sie fiel. Es war Valentin, der zuerst aufschaute.
»Seraphine!«
Seine Frau hatte er völlig vergessen.
48
Mit halb geschlossenen Augen schaute Seraphine dem Spiel des Jongleurs zu. Begonnen hatte er mit drei Bällen, inzwischen hielt er fünf Bälle in der Luft,
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