Die Samenhändlerin (German Edition)
schön, dafür aber umso inniger gesungen.
Nach kurzem Zögern stapfte er neugierig auf die Scheune zu.
»Kann ich Ihnen helfen, mein Herr?« Ohne den Hauch eines Erschreckens schaute die Frau von ihrer Arbeit auf und lächelte Valentin an, der verlegen hinter der Scheunenwand stand und am liebsten in einem Loch in der Erde verschwunden wäre.
»Ich … Es tut mir Leid, wenn ich Sie störe. Aber Sie haben so eindringlich gesungen!«, hörte er sich stottern. Piets Tochter! Krampfhaft versuchte er, sich an ihren Namen zu erinnern.
Sie lachte auf. Kleine Fältchen zogen sich dabei quer über ihre Nase, die in einem Meer von Sommersprossen zu ertrinken schien.
»Eindringlich gesungen – wie schmeichelhaft! Mein Vater sagt immer, wenn ich singe, schrumpeln die Zwiebeln in ihren Körben zusammen. Aber ich mache mir nichts daraus! Wollen Sie zu ihm?«
Valentin trat von einem Bein aufs andere. »Ich …«
Sie seufzte übertrieben. »Sie wollen zu ihm, das habe ich mir doch gedacht! Sie gehören also auch zu denen, die lieber mit dem Drehorgelspieler als mit dem Affen sprechen!« Mit einer resignierenden Geste hob sie die Schultern. »Mein Vater ist gerade beim Verladen, ich glaube sogar, es handelt sich dabei um die Ware, die er für Sie direkt nach Böhmen schicken soll. Aber er dürfte bald wieder hier sein. Vielleicht kann ich Sie in der Zwischenzeit für meinen Rummel interessieren?« Sie zeigte aufdie Körbe voller Tulpenzwiebeln, die vor ihr auf dem Boden standen.
Ratlos kratzte sich Valentin am Kopf. Wie sollte er ihr den Umstand erklären, dass sie ihre Geschäfte zwar längst abgeschlossen hatten, er aber noch immer auf dem Hof weilte?
»Das ist Rummel ? Ich dachte, dabei handelt es sich um minderwertige Ware. Diese Zwiebeln scheinen mir jedoch von guter Qualität zu sein!«, plapperte er drauflos, nur, um irgendetwas zu sagen. Und um von seinem Blick abzulenken, der an ihr klebte wie eine Fliege am Honigfass. Er empfand sich selbst als unhöflich, konnte aber nichts dagegen tun. Inzwischen war ihm ihr Name wieder eingefallen: Margarita, fast wie die Blume.
Sie hatte eine Haut so weiß wie Schmalz, aber nicht so durchscheinend und blutleer wie bei Seraphine, dafür sorgten schon allein die vielen Sommersprossen. Ihre roten Haare glühten in der Sonne geradezu, ihre Augen waren von einem blassen Braun. Sie lachte und zeigte dabei eine Reihe unregelmäßiger, aber perlweißer Zähne. Auf ihrer Stirn glitzerte ein Schweißtropfen. Valentin musste dem Impuls widerstehen, ihn mit der Kuppe seines Zeigefingers wegzuwischen. Ihr Aussehen war nicht engelsgleich wie Seraphines, und auch mit Hannahs robuster Weiblichkeit hatte es nichts zu tun. Und dennoch war Margarita hier, in dieser von Wind und Salz und Meer geprägten Landschaft, schön! Wie eine Windsbraut, schoss es ihm durch den Kopf. Gleichzeitig fragte er sich, wie er auf diesen Begriff kam. Eine Windsbraut – seltsam …
Liebevoll ließ sie ein paar Zwiebeln durch ihre Hand gleiten. »Die Qualität ist tatsächlich sehr gut, es handelt sich dabei lediglich um unverlesene Ware. Wer Rummel kauft, weiß nie, was sich in einer Zwiebel verbirgt. Blüht sie rein weiß? Oder ist es gar eine Bizarde? Handelt es sich womöglich um einen besonderen Streich der Natur? Ich finde das aufregend. Und Sie?«
Während Valentin noch darüber grübelte, ob sie eine Antwort auf diese Frage erwartete, stand die Frau auf.
»Mein Name ist Margarita van den Veyen.« Ihr Händedruck war fest und warm.
»Valentin Kerner«, stellte er sich vor.
»Ich dachte eigentlich, Sie wären schon längst fort! Hat mein Vater Ihnen nicht extra eine Kutsche für eine Fahrt ans Meer besorgt?« Sie runzelte die Stirn.
»Ja schon, aber nur mein Bruder und meine Schwägerin sind damit losgefahren. Ich –«
Margarita winkte ab. »Ich bin unhöflich! Sie sind natürlich herzlich willkommen, vor allem, solange Sie mir meine langweilige Arbeit versüßen. Bei uns in Holland ist man gern gesellig, wissen Sie?« Sie lachte und zog ihn dabei neben sich auf den Boden. Im nächsten Moment hatte er einen Packen Jutesäcke in der Hand.
»In jeden Sack hundert Zwiebeln, dann oben zubinden und fertig! So bringe ich sie nächsten Samstag nach Leiden auf den Markt. Den Sack gibt es für fünf Gulden – das ist doch ein fairer Preis, oder? Vater hat mir erlaubt, den Erlös vom Rummel für mich zu behalten, also machen Sie Ihre Arbeit gut! Denn davon hängt ab, ob ich als reiche oder arme Frau
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