Die Samenhändlerin (German Edition)
nutzten diese als Unterlage für ihre Rast. Auf Grasstängeln kauend, schauten sie in den strahlend blauen Himmel. Auf dem Weiher, an dessen Ufer sie rasteten, zogen Entenfamilien ihre Kreise, hin und wieder sprang ein Fisch in die Höhe und schnappte nach einem Insekt.
Sie waren in der Nähe von Ulm, und in zwei Tagen würden sie zu Hause sein. Der Gedanke an die nahe Heimkehr ließ beide schweigsam werden. Eine Zeit lang war nur das mahlende Geräusch der beiden Pferde zu hören, die neben ihnen auf der Wiese grasten. Hin und wieder warf einer der Brüder einen Blick auf die Tiere, die wie sie geduldig darauf warteten, dass ihr Besitzer zurückkam.
Helmut drehte sich zur Seite. »Möchte mal wissen, wie lange der Heinz noch braucht.« Er schnaubte missbilligend. »In jedem Dorf eine sitzen zu haben … Ein Wunder, dass der Mann überhaupt noch Zeit für seine Geschäfte hat!«
Valentin runzelte die Stirn. Das sagte gerade der Richtige! Doch er verkniff sich eine solche Bemerkung und erklärte stattdessen: »Eher ein Wunder, dass Heinz nicht die Übersicht verliert! Warte nur ab, wenn der nach Hause kommt, nennt er seine Ilse plötzlich Karla. Oder Ingrid.«
»Oder Lucia!«, ergänzte Helmut lachend.
Seit sie in Regensburg wieder mit Heinz zusammengetroffen waren – sein Bruder hatte sich noch zu einem Abstecher nach Landshut aufgemacht –, hatte es kaum einen Tag gegeben, an dem sich Heinz nicht wegen einer »dringenden Verabredung« verabschiedet hatte. Sogar hier, in der Wildnis, war dies nicht anders. Wenn sie wenigstens in einem Wirtshaus hätten warten können …
Valentin nickte in Richtung des einsamen Gehöftes, in dem Heinz verschwunden war.
»Was er wohl macht, wenn der Bauer früher nach Hause kommt?«
Helmut zog eine Grimasse. »Die Beine unter den Arm nehmen und rennen, was das Zeug hält, nehme ich an. Jedenfalls möchte ich dann nicht in seiner Haut stecken.«
»Tust du ja auch nicht«, gab Valentin zurück. »Ganz im Gegenteil: Du hast dich diesmal äußerst tugendhaft verhalten.« Er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme einen spöttischen Ton bekam.
Helmut runzelte die Stirn. »Willst du mich auf den Arm nehmen? Früher hast du gemeckert, wenn ich meinen Spaß hatte, und heute –«
»Ist schon gut«, versetzte Valentin. »War doch nur ein Scherz!«
Helmut starrte ihn wütend an, doch im nächsten Moment verzog sich seine Miene zu einem breiten Grinsen.
»Weißt du, wenn man erst einmal etwas so Hübsches zu Hause sitzen hat wie ich, sieht die Welt ganz anders aus. Vorfreude ist die schönste Freude, sagt man doch. Meine Hannah wird’s auch kaum erwarten können.«
Mit der Hand fegte er eine aufdringliche Fliege davon. Sie machte sich umgehend auf den Weg zu den Pferden.
»Der Braune lässt sich ziemlich leicht aus der Ruhe bringen«, sagte Valentin nach einem kurzen Blick auf die Tiere und gabein paar beschwichtigende Töne von sich. Auf den Schubs, den Helmut ihm im nächsten Moment verpasste, war er nicht gefasst.
»Aber Ehefreuden stehen dir ja bald auch ins Haus! Dass du und Seraphine …« Helmut schüttelte den Kopf.
Valentin schwieg. Es war das erste Mal, dass die Sprache auf Seraphine kam. Die ganze Reise über hatte er darauf gewartet, dass Helmut sich zu seinen plötzlichen Heiratsplänen äußern würde, doch vergeblich. Er selbst hatte das Thema ebenfalls vermieden. Er wusste nicht, warum, aber tief drinnen hatte er ein schlechtes Gewissen. Gerade so, als habe er Helmut die Frau ausgespannt, was natürlich Unsinn war.
»Doch, die Sache mit euch beiden finde ich in Ordnung«, sagte Helmut leichthin. »Ich meine, so kommt das Mädchen doch noch in die Familie, nicht wahr?«
Valentins Gesichtsmuskeln spannten sich schmerzhaft an. Es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre mit den Fäusten auf Helmut losgegangen. Wie konnte er so von Seraphine sprechen? Als handele es sich um einen Gegenstand, den man vererbte! Fehlte nur noch, dass er das bezahlte Kranzgeld ansprach, das nun ebenfalls wieder zurück in die Familie kam …
Valentin sprang auf und zog die Pferde samt Karren in Richtung des Weihers. Sie hatten sich nicht die Mühe gemacht, die Tiere auszuspannen – Heinz hatte versprochen, sich nicht allzu lange aufzuhalten.
»Am besten tränken wir die Viecher schon jetzt. Dann verlieren wir damit keine Zeit mehr, wenn Heinz zurückkommt«, sagte er.
Helmut nickte abwesend. »Ich meine, es kam schon ziemlich überraschend, immerhin war Seraphine ja
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