Die Samenhändlerin (German Edition)
zu den Ellenbogen in einer Schüssel mit Hefeteig steckte, beobachtete die beiden lächelnd durch die Küchentür. Solch eine Gefühlswallung hätte sie ihrer strengen Schwiegermutter gar nicht zugetraut! Und auch Gottlieb, der ansonsten öfter einmal an seinem Weib herummäkelte, war offensichtlich froh, Wilhelmine in seinen Armen zu halten.
Wenn nur Helmut schon zurück wäre! Hannah seufzte abgrundtief auf. Ihre Vorfreude, vermischt mit der Sorge um seine sichere Heimkehr, bereitete ihr fast schon körperliche Schmerzen. Gleichzeitig war es ein Gefühl, das sie seltsamerweise auch genoss. Es verband sie mit Wilhelmine und allen anderen Frauen, die in Gönningen geblieben waren und die genauso sehnsüchtig die Heimkehr ihrer Männer herbeiwünschten. Sie hob den Hefeteig aus der Schüssel und begann ihn mit resoluten Bewegungen auf dem Holzbrett durchzuwalken. Wenn Helmut heimkam, sollten die feinsten Kuchen und die besten Speisen auf ihn warten!
Am Sonntag, kurz vor dem Gottesdienst, war es endlich so weit: Helmuts und Valentins Ankunft wurde durch dasFreudengeschrei der Kinder angekündigt, die in den letzten Tagen stundenlang in den Gassen auf die Gönninger Heimkehrer gewartet hatten. Sie wurden nicht enttäuscht: Lachend verteilten die Kerner-Brüder Karamellen und allerlei Süßkram. Anschließend zogen die Kinder glücklich ab, um vor einem der Nachbarhäuser Wache zu schieben, wo ebenfalls noch ein später Heimkehrer erwartet wurde.
Hannah, die gerade ihre Haare kämmte, raste die Treppe hinunter, stürzte sich schluchzend in Helmuts Arme und begann, den Kamm noch in der Hand haltend, einen langen Monolog über ihre einsamen Wochen in Gönningen. Seit ihrem Besuch bei Seraphine hatte sie nicht mehr gut geschlafen, tagsüber hatte sie sich mit immer mehr Hausarbeit abgelenkt, und nun wurde sie von Erschöpfung und Erleichterung übermannt. Die Tränen rannen nur so über ihr Gesicht, sie zog und zupfte an Helmuts Ärmel und wollte ihn nie mehr loslassen. Erst als Wilhelmine sie etwas grob zur Seite stieß, um auch ihren Sohn zu begrüßen, beruhigte sich Hannah ein wenig.
Helmut, überwältigt von diesem Empfang, stürzte kurz darauf ins Wirtshaus, wo er zusammen mit anderen Heimgereisten die gesunde Rückkehr begoss. Valentin begleitete ihn nicht. Er hatte sich gleich nach der Begrüßung zu Seraphine begeben.
Im Nachhinein ärgerte sich Hannah über ihre Weinerlichkeit. Normalerweise war sie gar nicht so, und außerdem war sie jetzt eine Samenhändlerfrau – konnte man von einer solchen nicht etwas mehr Selbstbeherrschung verlangen? Wenigstens hatte sie Helmut nichts von ihrem Zusammentreffen mit Seraphine erzählt. Und trotzdem blieb ihr Herz schwer.
Auch bei Emma konnte sich Hannah nicht richtig aussprechen: Im Gegensatz zu anderen Samenhändlern, die nach der Reise das Nichtstun genossen, ging für die Wirtin und ihre Tochter die Arbeit gleich wieder richtig los. Es galt, das Wirtshaus herzurichten für den erwarteten Ansturm von Gästen,denen um diese Zeit des Jahres das Geld besonders locker saß. Trotzdem brachte Hannah bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit das Gespräch auf Seraphine und fragte die ältere Frau, ob das Mädchen auch früher schon wunderlich gewesen sei.
»Wunderlich?«, gab Emma zurück, ohne dabei den Besen aus der Hand zu legen. »Als wunderlich würde ich Seraphine nicht bezeichnen. Das Mädel trägt halt die Nase ein wenig hoch in der Luft. Manchmal so hoch, dass die Füße den Boden nicht mehr berühren …«
Damit musste sich Hannah begnügen. Bald kam sie zu der Überzeugung, dass sie die ganze Sache einfach nur falsch einschätzte. Der Karfreitag, dazu die gruselige Geschichte mit den Osterglocken, die einem vergrabenen Toten aus der Hosentasche wuchsen, der Besuch bei Seraphine in der düsteren Hütte – wahrscheinlich hatte all dies ihr Urteilsvermögen ein wenig getrübt, so dass sie beiläufigen Worten unnötige Wichtigkeit zugemessen hatte. »Du kannst Helmut nicht verlieren, weil du ihn gar nicht besitzt.« Im Nachhinein war sich Hannah nicht einmal mehr sicher, ob das Seraphines genaue Worte gewesen waren.
Doch ganz löste sich die dunkle Wolke, die Hannah seit Karfreitag begleitete, nicht auf. Seraphine war wunderlich – zu diesem Schluss gelangte sie spätestens an dem Tag, an dem Wilhelmine die zukünftige Schwiegertochter einlud, die letzten Einzelheiten wegen der Hochzeit zu besprechen.
Wie teilnahmslos Seraphine dasaß! Als Wilhelmine sie
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