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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Mächte eingesetzt wurde – verschwanden. Im modernen Odessa galt es als zeitgemäß, kosmopolitisch zu denken und zu leben. Und wer es sich leisten konnte, übertrug diese Philosophie vom Haus auch auf den Garten.
    Dass die Menschen in dieser Gegend große Gartenliebhaber waren, davon hätten sie sich schon bei ihrem ersten Rundgang durch die Stadt ein Bild machen können, warf Valentin ein. Selbst jetzt im Winter machten die Gärten einen gepflegten Eindruck.
    Eleonore nickte. »Und ihr habt noch keinen einzigen Landsitz gesehen! Ich glaube, da werden selbst euch die Augen überlaufen vor Glück!«
    Valentin räusperte sich. »Ähm, vielleicht ist das eine dumme Frage, aber wie kommt es eigentlich, dass gerade hier in Odessa so viele reiche Leute wohnen?«
    Leonard lehnte sich schmunzelnd auf seinem Stuhl zurück. »Schau dich doch um! Vermutlich hat unser Herrgott auf dieser Welt nur wenige schönere Plätze geschaffen!« Er nickte in die Richtung, wo das Meer lag.
    »Papa«, sagte Lea, »findest du nicht, Valentin und Helmut haben eine genauere Antwort verdient?«
    »Nein, nein, es ist schon –«, wollte Valentin abwinken, doch Leonard unterbrach ihn.
    »Odessa ist wie eine Insel inmitten eines sehr unruhigen Ozeans. Ein wunderschöner, ruhiger und sicherer Ruhepol. Das kann man von Sankt Petersburg oder wo auch immer unser hoch geschätzter Zar derzeit weilen mag, nicht sagen. Das Säbelrasseln schmerzt manchmal doch sehr in den Ohren.«
    »Politische Gründe also.« Helmut nickte.
    »Ich möchte nichts gegen Zar Nikolaus sagen!« Leonard hob abwehrend die Hände. »Er macht sein Geschäft nicht schlechter als andere. Fühlt sich für alles verantwortlich, manchmal vielleicht ein bisschen zu sehr!« Er lachte heiser auf. »Ein wenig mehr politisches Geschick würde man ihm dennoch wünschen. Doch er führt lieber mit harter Hand, steckt Unsummen von Geldern in sein Millionenheer, das zwar mit schicken Uniformen beeindruckt, aber mit seinen veralteten Waffen nicht einmal gegen eine Horde Kosaken vorgehen könnte …« Diesmal folgte ein betrübter Seufzer.
    »Ich verstehe immer noch nicht – was hat das mit den vielen Herrensitzen rund um Odessa zu tun?«, fragte Valentin.
    »Zar Nikolaus vermutet hinter jeder Ecke einen versteckten Umstürzler. Diese Angst hat in den letzten ein, zwei Jahren zugenommen, mit unangenehmen Folgen vor allem auch für die Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung. DasSäbelrasseln, versteht ihr? Er verlangt Rechenschaft über jeden noch so kleinen Schritt, den einer seiner Gefolgsleute tut. Das gefällt vielen nicht, und so ziehen sie sich auf ihre Landgüter zurück, wo sie ungestört feiern und ihren Geschäften nachgehen können.«
    Lea, deren Gatte selbst ein Landhaus wenige Kilometer südlich von Odessa sein Eigen nannte, nickte zustimmend. »Irgendwie sind hier fast alle mit den Romanows verwandt. Geld und Einfluss – beides ist regelrecht greifbar in unserer Stadt.« Sie klang wie jemand, der mit elterlichem Stolz die Vorzüge der eigenen Sprösslinge aufzählt. »Aber lasst uns noch einmal auf euren Samenhandel zurückkommen. Aus welchen Gründen auch immer – die Leute sind bereit, viel Geld auszugeben, wenn die Qualität stimmt. Euer Vorteil ist, dass ihr aus Württemberg kommt. Deutschen Waren vertrauen die Russen.« Sie lächelte zufrieden.
    »Das können sie auch, und der Preis stimmt bei uns ebenfalls«, warf Helmut vollmundig ein.
    Lea schüttelte den Kopf. »Der Preis ist Nebensache. Die Leute wollen das Ungewöhnliche. Und gute Beratung. Wer kundig ist und bereit, ausreichend Zeit für den Kunden zu opfern, wer Fantasie hat, dem wird bald aus der Hand gefressen. Alle anderen …« Sie zuckte mit den Schultern.
    Helmut hüstelte. »Nun ja, ein Garten ist ein Garten, oder? Darunter kann ich mir eigentlich auch in Russland kein Hexenwerk vorstellen …«
    Lea und ihre Mutter tauschten einen unauffälligen Blick. »Wir werden sehen …«

27
    »… sind wir vor zwei Tagen endlich heil und gesund in Odessa eingetroffen. Natürlich haben wir sofort die Ware kontrolliert. Welch ein Glück! Alles hat die lange Reise in den Holzkisten wohlbehalten überstanden! Die Rosen –«
    »Die ganze Ware wohlbehalten – Gott sei Dank!«, fiel Wilhelmine Hannah ins Wort.
    Diese ließ den Brief sinken.
    »Warum muss er immer nur übers Geschäft schreiben?«, rief sie aus. »Kein einziges Wort darüber, wie es ihm und Valentin geht. Ob er Heimweh hat, ob er seine Tochter

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