Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
bekämen sie ihn zwischen ihre großen Zähne.
Nachdem ich das Nachdenken über die Götter zur Seite geschoben hatte, fragte ich mich erneut, wer der alte Mann gewesen war. Wirklich nur ein Geist, der sich zufällig hierher verlaufen hatte?
Mir gefiel der Gedanke, dass es vielleicht die Seele eines Toten war, der nahe des Sees beim Holzsammeln umgekommen war und nur dadurch erlöst werden konnte, dass ihm jemand half, das Holz, das er nie wirklich heimbringen konnte, zu seiner Hütte zu schaffen. Jedenfalls hätte meine Mutter aus solch einer Begebenheit genau diese Geschichte gewoben.
In der Nacht blickte Hiroshi unablässig zum Himmel empor. Nach wie vor lag der Nebel wie eine Decke über uns. Sterne waren nicht zu erkennen. Also wartete er wohl auf eine Eingebung oder ein göttliches Zeichen.
»Du hättest wissen müssen, dass er ein Oni ist. Oder zumindest ein Geist«, murrte er leise vor sich hin. »Du hättest ihn fragen sollen.«
»Wir finden den Zugang auch ohne ihn«, entgegnete ich. »Ich habe es wirklich nicht wissen können. Verzeih, ich denke immerhin mit dem Herzen eines Menschen und nicht mit dem Verstand eines Dieners von König Enma.«
Hiroshi verzog das Gesicht zu etwas, das wohl ein schwaches Lächeln sein sollte, dann hob er seine Hand und betrachtete sie, als sähe er sie zum ersten Mal.
»Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte er dann. »Ich werde diesen Körper schon bald nicht mehr halten können und mir einen neuen suchen müssen. Dann ist meine Zeit im Kloster zu Ende. Und auch deine.«
»Du hattest alles anders geplant, nicht wahr? Die Sache mit mir und der Aufgabe … «
Hiroshi nickte. »Ja, das hatte ich. Ich weiß um die Vergänglichkeit eines menschlichen Leibes. Ein paar Jahre gehorcht er meinem Willen und lässt sich vom Verfall abhalten. Doch alles auf der Welt hat seine Gesetze. Früher oder später reicht meine Macht nicht mehr aus, um den Körper zu erhalten. Ich werde dann aus Sicht der Menschen sterben und in einem neuen Körper wiedergeboren werden müssen.«
»Ich werde dafür sorgen, dass du das tun kannst«, versprach ich ihm, in der Hoffnung, dass mir in dem entscheidenden Augenblick kein Feind gegenüberstünde, der vorhatte, mich zu töten.
»Es bedeutet dann aber auch, dass du erneut ein anderes Leben anfangen musst. Mittlerweile frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich Yoshinakas Wunsch entsprochen hätte.«
»Keinesfalls«, antwortete ich. »Ich mag vielleicht keine Ahnung vom Leben in Städten und Palästen haben, aber sicherlich wäre es mir schwergefallen, meine Aufgabe zu erfüllen. Wir haben nicht einmal das erste Artefakt, und zwei weitere warten irgendwo im Land verstreut auf uns. Ich darf nicht zulassen, dass Palastmauern mich festhalten. Das siehst du doch genauso?«
Hiroshi nickte. »Ja, da hast du recht. Aber vielleicht wird dir eines Tages kein anderer Schutz bleiben. Yoshinaka ist ein großer Kriegsherr. Dir mag er durch seine Verletzung vielleicht etwas schwach erschienen sein, doch in Wirklichkeit ist er ein sehr guter Krieger. Er würde dir die nötige Sicherheit geben, damit du deine Suche fortsetzen kannst.«
»Und was ist dann mit dir?«
»Ich werde an deiner Seite sein, immer. In einem anderen Körper. Ich muss dafür sorgen, dass du deine Aufgabe erfüllst. Das bedeutet auch für mich ständigen Wandel. Sobald Takeshi befreit ist, werden wir das Kloster verlassen.«
»Und meine Familie?«, fragte ich. »Wie soll ich je Gelegenheit haben, ihren Tod zu rächen und ihre Geister zu befreien?«
»Die Gelegenheit wirst du bekommen, das verspreche ich dir. Die Mörder sind noch dort draußen und wissen nicht, dass du überlebt hast. Eines Tages bekommst du sie vor deine Klinge.«
Ich war in diesem Augenblick sicher, dass er wusste, wer die Mörder waren. Aber ich wollte ihm deswegen nicht in den Ohren liegen und ihn bedrängen.
Bevor ich noch etwas sagen konnte, vernahmen wir beide einen seltsamen Laut. Zunächst hielt ich es für den Ruf eines Nachtvogels. Doch dann …
Ein Fuchsruf! Es war das Bellen eines Fuchses!
Kurz darauf streifte etwas Weiches meine Hand, dann erschien sie plötzlich vor uns. Diesmal in der menschlichen Gestalt, in der wir ihr zum ersten Mal begegnet waren.
»Nun, Hiroshi? Weißt du nicht weiter?« Ihr Kichern ließ den grimmigen Ausdruck auf sein Gesicht zurückkehren.
»Hüte deine Zunge, Kitsune!«, drohte er. »Ohne Kopf kannst auch du keinen Unfug mehr treiben.«
»Dein Schwert
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