Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
selbst kleideten, und ich hoffte sehr, dass wir möglichst lange unentdeckt blieben.
Ich beneidete Hiroshi um seinen beinahe lautlosen Gang, während mir meine Schritte wie Donnerhall in den Ohren klangen. Hinter der Pferdewiese verließen wir den Pfad, und ich erkannte den Weg wieder, den ich vor meinem ersten Zusammenstoß mit den Schattenkriegern genommen hatte.
Mein gesamter Körper kribbelte vor Aufregung, als hätte ich im Wald Ameisen unter mein Gewand bekommen. Hiroshi hatte mir zwar versichert, dass hier keine Wachposten lauern würden. Doch die Sorge, dass sie vielleicht doch da sein würden, kroch über meinen Nacken und schärfte meine Sinne so sehr, dass ich mich beherrschen musste, nicht bei jedem Knacken zusammenzuzucken.
Hiroshi fand den Zugang des Schachtes mühelos, und ich war sicher, dass er ihn in den vergangenen Tagen mehr als einmal benutzt hatte. Aber ich verstand, warum er seine Macht nicht ausgenutzt und die Sache vorzeitig beendet hatte. Alles musste nach vorgeschriebenen Regeln vonstattengehen. Regeln, die nur die Götter kannten.
»Es wird Zeit, dass du eine Wahrheit über dich erfährst, Tomoe«, sagte Hiroshi, während wir uns durch die dunklen feuchten Gänge tasteten. »Wenn alles so zutrifft, wie es die Götter vorsehen, werden wir beide für eine kurze Weile getrennt sein.«
»Welche Wahrheit? Und warum sollten wir getrennt werden?«
»Eine Wahrheit, die dich vielleicht schockieren wird. Alles andere wirst du sehen.«
Was sollte mich nach dem, was ich in den vergangenen Wochen und Monaten erlebt hatte, noch schockieren?
Ein schiefes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Deine Eltern waren nicht deine leiblichen Eltern.«
»Was sagst du da?« War der Körper, in dem Enmas Diener steckte, schon dermaßen beschädigt, dass es sich auf seinen Verstand auswirkte?
»Deine Mutter hat dich gefunden, am Ufer eines Flusses.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich.«
»Wer von uns beiden ist mit dem Totenreich und dem Reich der Götter verbunden?«, fragte Hiroshi so ungehalten wie immer, also musste er wohl bei Verstand sein. Aber dennoch klang das, was er sagte, unglaublich.
»Ich hätte es dir schon damals gesagt, doch deine Angst hat dich davon abgehalten, meine Worte zu hinterfragen. Außerdem kam dir die Trauer um die Menschen, die dich versorgt haben, in die Quere.«
Wieder schüttelte ich den Kopf. Was bedeutete das alles? Wenn meine Mutter nicht meine Mutter war, wer dann?
Hiroshis Augen funkelten dunkel, als ich diese Frage laut stellte.
»Du bist die Tochter eines Adligen, Nakahara no kanetô«, antwortete er dann. »Der Krieger Kanehira ist dein Bruder.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Das kann nicht sein!«
»Du hast Kanehiras Geschichte von seinem verlorenen Geschwisterkind gehört. Indem sie euch beide zusammengeführt haben, haben die Götter einen seltsamen Humor bewiesen. Aber so sind sie nun einmal.«
»Du meinst, ich bin dieses Kind?«
»Ja, das bist du. Schon bei deiner Geburt stand fest, dass du eines Tages diejenige sein würdest, die den jetzigen Kaiser stürzt. Die Taira hätten das nicht zugelassen. Du erinnerst dich an den Wahrsager, von dem ich dir erzählt habe?«
Ich nickte beklommen.
»Dieser Wahrsager ist sehr gefährlich, denn er ist zu einer Hälfte ein Mensch und zur anderen Hälfte ein Dämon. Er hat von dem Kind erfahren, doch bevor seine Leute etwas unternehmen konnten, hat Enma mich geschickt. Ich bin deiner leiblichen Mutter erschienen und habe dich aus dem Schloss getragen. Dann legte ich dich am Fluss Uji ab, bei den vielen Stromschnellen, die die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich ziehen. Die Frau, die du für deine Mutter hältst, habe ich an diesen Ort geschickt, und ich war es auch, der ihr die Weisung gab, dich in den Wald zu schicken, um Holz zu holen.«
»Dann waren die Mörder meiner Mutter … «
»Taira, ja. Angeführt wurden sie von einem Krieger namens Onda no Hachirō Moroshige. Er sollte dich töten, doch er fand dich nicht.«
Der Name des Kriegers brannte sich in meinen Verstand ein. Ich war den Tränen nahe. Mein ganzes bisheriges Leben sollte eine Lüge gewesen sein?
»Es ist sehr unfreundlich von dir, mir das gerade jetzt zu erzählen, wo ich kämpfen soll«, beklagte ich mich.
»Eines Tages hätte ich es dir sagen müssen. Und jetzt ist der geeignete Zeitpunkt. Wenn du den Schattenkriegern gegenüberstehst, sage dir immer, dass sie die Mörder jener Menschen unterstützen, die du als
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