Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
das ebenso wenig wie auf dem Schlachtfeld.« Er ging ein paar Schritte vor mir her und nahm dann seine Naginata aus dem Waffenständer.
Durch meine Anspannung kam mir jedes Geräusch besonders laut vor: das Schaben des Griffs über das Holz des Ständers, das Rascheln, als Hiroshi die Scheide von der Klinge der Waffe zog. Der erste Schwung, der die Luft durchschnitt, klang wie ein scharfer Windstoß. Die Klinge begleitete ihn mit hellem Gesang.
»Tritt ein paar Schritte zurück, ich möchte dir nicht aus Versehen die Kehle durchschneiden!«, sagte Hiroshi, nachdem er in die Mitte des Übungshofes getreten war.
Plötzlich vermeinte ich einen Blick auf mir zu spüren. Als ich mich zur Galerie umsah, entdeckte ich allerdings niemanden.
Ich trat zurück und beobachtete, wie Hiroshi seine Schultern lockerte. Dann hob er die Naginata und begann, sie wie ein Wasserrad zu schwingen. Vergeblich versuchte mein Blick der Klinge zu folgen, sie verschmolz mit dem Stiel vor meinen Augen zu einem todbringenden Rad, dessen Rand hell in der Sonne glänzte. Die zerteilte Luft sang ein helles Klagelied. Wahrscheinlich war es das Letzte, was Hiroshis Gegner hörten, bevor ihre Köpfe rollten.
»Wenn du auf diese Weise mit der Naginata umgehen kannst, wirst du sogar in der Lage sein, heranfliegende Pfeile abzufangen und zu zerschneiden«, sagte er, während er die Waffe von einer Hand in die andere wechselte, so einfach, als wäre sie ein Zweig. »Allerdings brauchst du dafür sehr viel Übung.«
Beschämt blickte ich auf meine Naginata. Auf einmal kam ich mir genauso unzulänglich vor wie die Waffe selbst.
»Versuch du es jetzt«, sagte er, während er seine Waffe zum Stillstand brachte, ebenso leicht und mühelos, wie er sie in Schwung gesetzt hatte.
Ich hatte nie probiert, meine Naginata auf diese Weise zu schwingen. Meine ersten Versuche fielen sehr ungeschickt aus. Ich schaffte es zwar, die Waffe in Bewegung zu bringen, doch als ich umgreifen wollte, entglitt mir der Griff, und die Lanze fiel zu Boden. Kein Wunder, denn bisher hatte man mich nur gelehrt, mit der Lanze auszufallen und Schläge abzublocken.
Ich murmelte eine Entschuldigung und bückte mich, um sie wieder aufzuheben. Dabei bemerkte ich, dass der Griff einen langen Riss davongetragen hatte. Er war so groß, dass die von Rost und Blut verunzierte Klinge scheppernd zu Boden fiel, als ich den Griff in die Höhe hob.
Tränen schossen mir in die Augen.
Hiroshi sah mir meine Bestürzung darüber an. »Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie zerbrechen würde«, bemerkte er ein wenig kühl, dann griff er nach einer Waffe aus dem Waffenhalter. »Eigentlich ist es ein Wunder, dass Taketsuna aus deiner Lanze nicht Kleinholz gemacht hat, offenbar muss er wirklich noch sehr viel üben. Hier, nimm diese.« Damit warf er mir die Naginata zu. Ich fing sie auf, stand aber dennoch da, als hätte ich noch nie im Leben eine Waffe gehalten. Und ich blickte bedauernd auf die zerbrochene Naginata meiner Mutter.
»Halte sie, wenn du willst, in Ehren«, sagte Hiroshi, der meine Gedanken wiederum zu lesen schien. »Aber denke auch daran, dass diese Klinge deiner Mutter nicht helfen konnte, als sie sich selbst und ihre Familie beschützen wollte. Natürlich stellt sich die Frage, ob überhaupt irgendeine Waffe das Unheil hätte abwenden können, aber dass deine Naginata zerbrochen ist, ist ein Zeichen. Und jetzt verschwende nicht kostbare Übungszeit damit, dass du leer in die Gegend starrst.«
Seine Worte trafen mich wie ein Wasserguss. Rasch zog ich die Scheide von der Klinge und war für einen Moment geblendet von dem Sonnenstrahl, der im Metall reflektierte. Dann erkannte ich, was das für eine Waffe war.
Hiroshi hatte keine zufällige Wahl getroffen. Die Scheide war wellenförmig angeschliffen, und auf der Klinge befanden sich ebenfalls kunstvoll eingravierte Wellenmuster. Das Schriftzeichen, das sie einrahmten, konnte ich nicht lesen, doch ich vermutete, dass es etwas mit Wasser zu tun hatte.
»Nun mach schon, Tomoe-chan! Sonst ist die Zeit gleich herum, und wir müssen dann an die Sutren gehen. Jeder Tag, an dem du herumtrödelst, ist ein Tag mehr Hausarbeit für dich!«
Ich hätte gern angemerkt, dass mir die Hausarbeit nichts ausmachte, doch dann sah ich wieder das Gesicht meiner Mutter und hörte ihre letzten Worte. Hiroshi hatte recht, ich durfte nicht trödeln. Meine Ahnen erwarteten, dass ich Rache nahm.
Ich schwang also die Naginata herum und spürte dabei nicht
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