Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
er meinen Atem vernommen?
Ich zweifelte nicht daran, dass er wusste, wer ihn beobachtete. Und da ich nicht gleich am ersten Morgen eine Rüge von ihm einfangen wollte, gehorchte ich und suchte meinen Weg in den Innenhof.
Dort angekommen sah ich, dass zwei weitere Pfeile in der Zielscheibe steckten, perfekt rechts und links vom ersten.
Allmählich fragte ich mich, warum Hiroshi überhaupt noch üben musste. Einen perfekteren Schützen konnte es doch nicht geben.
»Was treibt dich schon so früh von deinem Lager?«, begrüßte er mich, als ich mich vorsichtig näherte. »Wie du siehst, schlafen alle anderen noch.«
Die gleiche Frage hätte ich ihm stellen können, aber ich hütete mein Mundwerk.
»Ich hatte Albträume«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Und ich war neugierig.«
»Neugierig, soso … « Jetzt wandte sich Hiroshi zu mir um. Seinen halb entblößten Rücken zu betrachten hatte mir nichts ausgemacht, doch angesichts seiner nackten linken Brust errötete ich und schlug die Augen nieder.
»Hast du schon jemals einen Bogen in der Hand gehalten?«
»Nein, Herr.«
»Dann wird es Zeit, dass du das lernst.«
Ich blickte entsetzt auf seine nackte Schulter. »Muss ich dazu auch … «
Hiroshi erriet, was ich meinte. »Natürlich müsstest du. Aber auch wenn uns Takeshi angehalten hat, dich als unseren Bruder anzusehen, wird es vielleicht hilfreich sein, wenn du deine Brust unter einer Binde verbirgst. Es sei denn, du möchtest deine Gegner verwirren.«
»Und jetzt?«, fragte ich unsicher. Mein Schamgefühl verbot es mir, mich vor ihm zu entblößen.
»Jetzt wird es reichen, wenn du einen Ärmel hochschlägst.« Damit trat er neben mich und begann den Stoff so weit hochzurollen, dass der Stoffwust schließlich auf meiner Schulter lag. Ich bemerkte, dass er dabei peinlichst vermied, mich zu berühren, doch selbst als seine Haut fingerbreit von meiner entfernt war, spürte ich, dass sie im Gegensatz zu meiner kalt war.
»Nun nimm den Bogen. So!«
Hiroshi zeigte mir, wie ich ihn zu halten hatte, den Arm auf Kopfhöhe, was recht unbequem aussah. Dann reichte er ihn mir. Während ich den Bogen hob und spürte, wie mir das Blut aus den Armen lief, bemerkte ich, dass Hiroshi die Handschuhe, die neben dem Köcher lagen, überzog.
Ich fragte mich, warum er sie brauchte, denn vorhin hatte er mit bloßen Händen geschossen. Doch weder wagte ich diese Frage zu stellen noch hatte ich Zeit dazu.
»Jetzt stell dich so hin!« Hiroshi packte mich an den Schultern und drehte mich in die richtige Position. »Wenn du einen Pfeil anlegst, muss dir vorher durch den Sinn gehen, welchen Weg er nehmen soll. Soll er nach rechts fliegen, musst du deinen Verstand noch vor deinem Körper nach rechts wenden. Soll er nach links fliegen, wandert dein Verstand zuerst nach links. Jeder Pfeil hat einen Drall, mit dem du rechnen musst, deshalb sage ich dir das mit dem Verstand. Dann versuch es einmal.«
Wenn man noch nie einen Pfeil hatte fliegen sehen, konnte man sich schwer vorstellen, welchen Weg er nehmen würde. Die Jungen in unserem Dorf hatten sich ihre Bögen selbst gemacht und versucht, auf Vögel in den Bäumen zu schießen. Die gebogenen Stöcke, denen ein Seil als Sehne gedient hatte, waren allerdings nichts im Vergleich zu diesem Bogen, dem man die Spannung schon anmerkte, wenn man das Holz berührte.
»Wenn du kämpfst, ziehst du den Pfeil nach unten aus dem Köcher, rasch, aber vorsichtig, damit du die Feder nicht beschädigst.« Hiroshi machte es mir vor und hielt mir dann den Pfeil, dessen Spitze silbrig schimmerte, vors Gesicht. »Am besten, du ziehst gleich zwei heraus und behältst den zweiten zwischen deinen beiden letzten Fingern, während du mit Daumen und Zeigefinger die Sehne spannst. Aber das wäre für den Anfang zu viel verlangt. Jetzt nimm den Pfeil und leg ihn auf den Bogen, so wie du es bei mir gesehen hast.«
Das fiel mir noch leicht, doch dann verlangte Hiroshi, dass ich die Sehne spannte. Das wäre mir selbst mit einem Handschuh nicht möglich gewesen.
»Dir fehlt es an Kraft, also werde ich dir diesmal noch helfen.« Mein Lehrmeister trat hinter mich, so nahe, dass ich seinen Atem im Nacken spüren konnte. Seine Hand ergriff meine, dann zogen wir gemeinsam die Sehne nach hinten.
»Richte die Spitze des Pfeils zunächst auf die Mitte der Scheibe, dann ein Stück höher, entsprechend der Flugbahn des Pfeils. Wann ich ihn von der Sehne schnellen lasse, entscheidest allein du.«
Ich kniff ein
Weitere Kostenlose Bücher