Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
im Sonnenlicht, und ihre langen Mähnen wehten wie Schleier.
Als ich meine Augen schließlich von diesem prachtvollen Anblick abwenden konnte, bemerkte ich, dass es nirgends einen Zaun gab, der diese Schönheiten schützte.
»Habt ihr nicht Angst, dass sie euch gestohlen werden?«, fragte ich verwundert.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Hiroshi, während er in die Tasche seines Gewandes griff und einen weißen Brocken hervorholte.
»Nun, es gibt keinen Zaun. Jeder könnte hier heraufklettern und die gesamte Herde stehlen.«
»Niemand würde es wagen, hierherzukommen«, entgegnete Hiroshi und streckte dann den Arm aus. Die Pferde drehten interessiert die Hälse, und schließlich löste sich ein Apfelschimmel von der Herde. »Es ist einfach zu gefährlich.«
»Gefährlich? Aber was soll hier gefährlich sein? Wir sind diesen Pfad doch auch gegangen.«
»Das stimmt, aber wir sind wir. Ich kenne mich aus, und du warst diesmal klug genug, der Weisung deines Lehrers zu gehorchen. Jeder andere würde sich womöglich nicht im Pfad halten und dann unweigerlich sterben.«
Erneut fragte ich mich, was außerhalb des Weges so gefährlich sein sollte. Es gab doch nur Gras und Steine. Nun gut, wenn jemand in der Dunkelheit fehltrat und den Halt verlor …
Meine Frage wurde in den Hintergrund gedrängt, als der Apfelschimmel vor Hiroshi stehen blieb, den Kopf neigte und vorsichtig an dem weißen Brocken schnupperte.
»Salz«, erklärte mein Lehrer. »Das mögen sie.«
Und tatsächlich, das Pferd tastete zunächst vorsichtig mit den Lippen danach, dann verschwand der Brocken zwischen seinen malmenden Zähnen. Das Schnauben, das der Apfelschimmel von sich gab, klang wie ein Dankeschön.
»Jetzt du«, sagte Hiroshi und reichte mir einen weiteren Brocken. Wie viele hatte er davon? Satoshi hatte sicher wissen wollen, wofür Hiroshi das ganze Salz benötigte.
»Ich?«, fragte ich furchtsam, denn auch wenn das Pferd sanft erschien, war es mir doch nicht entgangen, dass seine Zähne recht groß waren. Wenn nun meine Hand dazwischengeriet?
»Ja, du. Und keine Angst, dieser Hengst hier ist ganz sanft. Ich bin schon seit vielen Tagen damit beschäftigt, ihn zu zähmen und bereit zu machen für seinen Reiter.«
»Seinen … «
»Nun mach den Mund wieder zu und gib ihm endlich das Salz! Oder willst du, dass er sich enttäuscht abwendet und wieder zu seiner Herde zurückkehrt?«
Rasch kam ich Hiroshis Aufforderung nach, denn den Hengst verscheuchen wollte ich nicht. Doch genauso wenig konnte ich glauben, dass ich dieses Tier reiten sollte. Oder hatte Hiroshi etwas anderes gemeint, und ich hatte verstanden, was ich verstehen wollte?
Mit zitternder Hand hielt ich dem Pferd den Salzbrocken hin.
»Nicht mit spitzen Fingern!«, tadelte Hiroshi. »Leg das Salz auf deine Handfläche. Und versuche deine Angst zu beherrschen. Wenn überhaupt wird das Pferd dich nur leicht kneifen, mehr nicht. Seinen wahren Zorn bekommst du nur zu spüren, wenn du das Tier in irgendeiner Weise verärgerst.«
Es kostete mich ein wenig Überwindung zu tun, was er verlangte, doch dann spürte ich den warmen Atem des Pferdes auf meiner Hand. Seine Lippen waren so weich wie ein Mäusefell, als sie meine Hand berührten. Die großen, Furcht einflößenden Zähne streiften meine Haut kurz, dann war der Salzbrocken verschwunden. Genüsslich kaute der Hengst darauf herum. Erleichtert atmete ich auf.
»War doch nicht schwer. Gib ihm noch ein Stück, dann reicht es. Beim nächsten Mal bekommt er mehr.« Wieder reichte er mir einen Salzbrocken.
»Und warum darf ich ihm das Salz nicht mit den Fingern geben?«, fragte ich, obwohl mir die Berührung der Lippen und Zähne nicht unangenehm war. Auf einmal begann ich jene zu beneiden, die sich jeden Tag bei einer Pferdeherde herumtreiben und die Tiere mit Salz locken konnten.
»Indem das Pferd mit seinen Nüstern über deine Handfläche streicht, nimmt es deinen Geruch wahr. So kann es sich an dich gewöhnen und wird es schneller akzeptieren, wenn du auf seinen Rücken steigst. Mit viel Glück wirst du eines Tages seine Freundschaft erringen, und das ist mehr wert als alles andere.«
Diesmal kniff mich das Pferd in die Handfläche. Ein richtiger Schmerz war es nicht, dennoch zog ich erschrocken die Hand zurück. Glücklicherweise war da der Salzbrocken schon zwischen den Lippen des Hengstes verschwunden. Als würde er über meine Reaktion lachen, wieherte er einmal kurz und schüttelte seine Mähne.
»Siehst du, er
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