Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
beobachtet, die munter vor der Tür tanzten und hin und wieder auch den Weg durch das löchrige Reisigdach fanden, wo sie vergingen, ehe sie die Feuerstelle in der Mitte des Raumes erreichen konnten.
Ich nahm also den Eimer, schob die Tür auf und steckte meine nackten Füße in die Geta, die fast gänzlich unter dem Schnee begraben waren. Die Eiskristalle stachen wie Nadeln in meine Fußsohlen. An wärmende Gewänder und Mäntel, wie sie die Frauen in Heian trugen, war nicht zu denken. Und so schritt ich hinaus in den Schnee, über dem Kittel nichts weiter als einen groben Umhang, der die Kälte nicht von meiner Haut fernzuhalten vermochte.
Schon bald war alle Wärme meines Körpers verflogen, und meine Zähne begannen, wie eine Rassel zu klappern. Meine Hände drohten am Griff des Eimers festzufrieren. Doch ich musste weiter, durch Schneewehen, unter denen unsere Reisfelder nicht einmal zu ahnen waren, zu dem dunklen Band des Waldes, das noch nicht gänzlich von den Schneemassen verschlungen worden war.
Als ich durch den kniehohen Schnee watete, flatterten ein paar Krähen auf. Mit ihren rauen Rufen schienen sie mich zu verspotten, doch ich wollte meinen warmen Atem nicht an sie vergeuden, indem ich sie beschimpfte. Die Zähne fest zusammengebissen stapfte ich weiter und hoffte, dass der Wald, dessen Kiefern und Tannen stämmig wie Pfeiler wirkten, die Kälte ein wenig mildern würde.
Die Bäume empfingen mich mit einem seltsamen Raunen, fast so, als empfänden auch sie Unbehagen angesichts des nicht weichenden Winters. Über mir knackte und raschelte es, doch vergeblich hielt ich nach Vögeln oder Eichhörnchen Ausschau. Die Krähenrufe waren weit entfernt. Schnee brachte die Äste und Zweige zum Ächzen, hin und wieder rutschte ein weißer Klumpen aus den Kronen der Kiefern. Ich würde achtgeben müssen, nichts davon auf den Kopf zu bekommen.
Ich sah mich ein wenig hilflos um. Wo sollte ich hier Holz finden? Wenn der Boden nicht unter Schnee begraben war, bereitete es mir keine Mühe. Und Mutter hatte recht, ich fand stets das beste Holz, bereits bei der ersten Berührung fühlte ich, ob es im Innern trocken war oder nass.
Nasses Holz brachte die Feuerstelle jedenfalls zum Qualmen und war zutiefst unerwünscht. Ichiro hatte einmal ein paar nasse Zweige in das Becken geworfen. Vater wurde selten ungehalten, wenn sein Sohn etwas anstellte – doch da war er ernsthaft böse geworden, und Mutter hatte sich vor ihn werfen müssen, damit er Ichiro keine Ohrfeige gab.
Nachdem ich mich vergeblich nach Holz umgesehen hatte, das fürs Feuer geeignet war, beschloss ich, tiefer in den Wald hineinzugehen. Zwar sagte man, dass dort Geister hausten, doch wenn ich mich im Sommer hierherbegab, war es wunderbar kühl. Vielleicht war es dort geschützter und wärmer, sodass ich meine klammen Fäuste öffnen und das Holz abtasten konnte. Möglicherweise lag dort auch weniger Schnee und das Holz war trockener. Ich überlegte nicht lange, zog meinen Mantel enger um die Schultern und lief weiter.
Und tatsächlich wurde dort, wo die Kiefern ein dichtes Dach bildeten, der Schnee weniger. Doch die Kälte blieb.
Ich watete über einen Teppich von abgestorbenen Fichtennadeln, und mit meinen Geta hatte ich Mühe, durch das Unterholz zu klettern. Aber dann fand ich sie, trockene Zweige, die dafür sorgen würden, dass unsere Feuerstelle nicht kalt wurde. Während ich die Zweige brach und einen Ast an einem eisüberzogenen Baum zerschmetterte, ging mir durch den Sinn, wer wohl gutes Feuerholz finden würde, wenn ich verheiratet war und fortan zur Familie meines Gatten gehörte.
Doch dann schob ich den Gedanken beiseite. Was Mutter gesagt hatte, stimmte, wir lebten sehr abgeschieden, und solange wir keine Vermittlerin bezahlen konnten, war ich vor einer Heirat sicher.
Rasch füllte ich den Eimer mit Holzstücken, hauchte dann Atem in meine Hände und lief weiter. Plötzlich vernahm ich ein heiseres Raunen hinter mir.
»Tomoe!«
Ich erstarrte. War mein Vater mir gefolgt? Oder trieb sich hier jemand aus dem Dorf herum? Den Gedanken an Räuber verwarf ich schnell, denn woher sollten sie meinen Namen kennen? Sicher war es nur der Wind und ich hatte mich vertan. Doch dann hörte ich es wieder.
»Tomoe!«
Erschrocken wirbelte ich herum, doch ich sah niemanden. Aber ich wusste nun auch, dass es nicht der Wind war und erst recht keine Einbildung. Jemand war hier, auch wenn ich ihn nicht sah.
Waren es Geister? Oni? Ihnen war zuzutrauen,
Weitere Kostenlose Bücher