Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
anmerken.
»Wir werden mit ihnen verhandeln und ihnen erklären müssen, dass du keine Bedrohung für sie darstellst«, sagte Hiroshi zu meiner großen Überraschung und verfiel für einige Augenblicke in Nachdenklichkeit.
»Tomoe«, sagte er dann, und für einen Moment schien es, als wollte er mich an den Schultern packen. Wie schwarz und undurchdringlich seine Augen nun wirkten! »Sag mir ehrlich: Was hast du gesehen, als du im Wald warst? Damals, als die Schattenkrieger dich angegriffen haben?«
»Nichts, Sensei«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
»Nichts kann es nicht gewesen sein«, sagte Hiroshi bestimmt, während er den Blick nicht von mir ließ. »Du musst etwas gesehen haben. Vielleicht sogar einen von ihnen.«
»Da waren nur Bäume – und jemand in einer der Baumkronen«, entgegnete ich. Daran konnte doch nichts Unrechtes sein.
»Du hast einen von ihnen gesehen?«
»Ja, zumindest sah ich, dass es ein Mensch war. Aber warum fragt Ihr? Das ist doch nichts, was den Schattenkriegern gefährlich werden kann?«
»Oh doch, und ob es das kann!«, entgegnete Hiroshi, als hätte er eine sehr wichtige Entdeckung gemacht. »Die Kunst der Schattenkrieger lebt davon, sich zu verbergen, unsichtbar zu sein. Gerade weil sie kaum jemand sehen und hören kann, sind sie so erfolgreiche Kämpfer. Meist sehen sie nicht einmal jene Menschen, die von ihnen getötet werden – es sei denn, die Schattenkrieger wollen das. Ich hätte nicht gedacht, dass du sie wahrnehmen kannst. Das wirft ein ganz anderes Licht auf die Sache.«
»Aber Ihr habt ihn auch gesehen!«, entgegnete ich. »Ihr habt ihn sogar vom Baum geschossen.«
»Das ist richtig.« Für einen Moment wirkte er ertappt. »Doch er war unvorsichtig und in Aufruhr wegen dir. Nur deshalb konnte ich ihn erkennen und töten.«
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dies nicht die ganze Wahrheit war, doch Zeit zum Nachdenken ließ mir Hiroshi nicht.
»Komm, wir gehen zum Abt.«
Ich starrte ihn erschrocken an. »Ich soll mitkommen?«
»Natürlich! Du bist angegriffen worden – auf unserem Land! Das ist ein Verstoß gegen das Abkommen. Auch wenn es einen Verstoß von unserer Seite gegeben hat, rechtfertigt das noch lange nicht, dass sie in unser Kloster eindringen!«
Wie ein begossener Hund tappte ich hinter Hiroshi her. Mein Bauch kniff vor lauter Angst, denn ich fürchtete, dass ich ebenso Ärger bekommen würde wie die Schattenkrieger.
In respektvoller Entfernung blieben wir vor der Kammer des Abtes stehen.
»Du wartest hier, bis du gerufen wirst, hast du verstanden? Du darfst auf keinen Fall Missfallen bei Takeshi erregen.«
Ich nickte und kniete mich mit sorgenvoll gesenktem Kopf auf den Boden.
Hiroshi sank ebenfalls auf die Knie und machte sich dann durch leichtes Kratzen am Seidenpapier, mit dem die Tür bespannt war, bemerkbar.
»Komm herein«, tönte die Stimme des Abtes ruhig und über unsere Köpfe hinweg. Hiroshi schob die Tür beiseite und trat auf Knien ein. Musste er das immer so machen oder tat er es nur, um Takeshi von vornherein gnädig zu stimmen? Ich hatte den Abt noch nie wirklich wütend erlebt, aber bei der Achtung, die er unter den Mönchen genoss, musste er wohl durchaus dazu in der Lage sein, Vergehen durch deutliche harte Worte und Taten zu ahnden.
Hiroshi hatte sich vor dem Meister auf den Boden geworfen. »Sensei, ich habe einen Vorfall zu berichten, der sich an unserem Schrein abgespielt hat.« Auf einmal war er überhaupt nicht mehr der strenge und spöttische Lehrmeister, den ich kannte, sondern selbst ein unterwürfiger Schüler. Hatte Takeshi ihn vielleicht sogar ausgebildet?
»Bei unserem Schrein?« Takeshis Stimme klang besorgt. Er musste meinem Lehrmeister einen Wink gegeben haben, denn nun erhob sich dieser wieder.
»Tomoe war dort, um ein Opfer darzubringen. Dabei wurde sie von Ninjas angegriffen. Den Shuriken hat sie zum Beweis mitgebracht.« Er streckte dem Abt den Stern entgegen. Was Takeshi nun tat, wusste ich nicht, aber ich hörte seine Stimme.
»Ist Tomoe hier?«
»Ja, Sensei, ich habe mir erlaubt, sie mitzunehmen, damit sie Euch ihre Schilderung des Vorfalls vortragen kann.«
»Dann bitte sie herein, ich will es hören.«
Auf einmal klopfte mir das Herz bis zum Hals. Als Hiroshi mich rief, näherte ich mich ebenfalls auf den Knien und warf mich dann vor dem Abt zu Boden. Dabei erhaschte ich einen Blick auf seine Geta, und der Anblick seiner nackten Füße darin beschämte mich ein wenig.
»Verzeiht, Sensei,
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