Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
wurde mir schnell klar, dass nur zwei Menschen außer mir von meinem Übertritt wussten: Hiroshi und Takeshi. Mein Lehrmeister hatte nur dem Abt vom Angriff auf mich erzählt, niemandem sonst. Also hütete ich mich, davon zu berichten, wie ich von Lähmgift niedergestreckt auf dem Weg lag, nachdem ich die Schattenkrieger gesehen hatte.
Doch so wirkte meine Geschichte natürlich noch empörender.
»Diese Söhne einer verlausten Hundedecke!«, schimpfte Satoshi und drohte mit der Faust. »Wenn sie mir über den Weg laufen, werde ich ihnen das Fell gerben. Vielleicht sollte ich das auch gleich tun.«
Ich schüttelte den Kopf. »Euer Mut und Euer Kampfgeist ist groß, verehrter Satoshi-san«, entgegnete ich höflich. »Doch der Abt hat Hiroshi aufgetragen, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Außerdem müssten wir alle verhungern, wenn Ihr Euch mit den Schattenkriegern anlegt, und auf Eure Kochkünste möchte sicher keiner Eurer Brüder verzichten.«
Dass ich Angst um ihn hatte, behielt ich für mich. Meine Worte schienen ihm jedenfalls so sehr zu gefallen, dass er mir eine Schüssel Suppe hinstellte und mir mit dem Schälen der Wurzeln Zeit gab, bis ich fertig war.
Doch noch während ich die schwarze Rinde von den Gobō zog, verschwand die Erleichterung. Ich sorgte mich um Hiroshi, denn ich kannte die Schattenkrieger nicht gut genug, um abschätzen zu können, was sie bei seinem Auftauchen mit ihm machen würden. Zumal er einen von ihnen getötet hatte.
Als wir uns am Nachmittag zur Übung mit der Naginata wiedertrafen, war mein Lehrmeister sehr abweisend. Er korrigierte meine Bewegungen besonders streng, hielt seine üblichen Standpauken in noch schärferem Ton als sonst und drohte mir schließlich, mir wieder meine alte Waffe zu geben, weil meine Kampfkünste der neuen Waffe nicht würdig seien.
Niedergeschlagen kehrte ich in die Küche zurück, wo nun neben Satoshi auch Yoshi und ein paar andere Mönche warteten. Mit neugierigen Gesichtern sahen sie mich an, als hätte ich plötzlich eine andere Haarfarbe oder rote Flecken im Gesicht bekommen. Ich wusste genau, dass Satoshi ihnen von meiner Begegnung mit den Schattenkriegern erzählt hatte.
Zu allem Überfluss tauchte dann auch noch Taketsuna auf. Ihn hatte ich seit unserem letzten Zusammentreffen erfolgreich ignorieren können, doch nun stellte er sich unverhohlen in den Türrahmen und begleitete meine erneute Schilderung der Ereignisse mit einem spöttischen Lächeln. Wahrscheinlich hätte seine Freude keine Grenzen gekannt, wenn einer der Giftsterne mich wirklich getroffen hätte. Seine Anwesenheit erzürnte mich, und so erzählte ich die Geschichte noch ein bisschen kämpferischer und drohte gleichzeitig an, mich an den Schattenkriegern zu rächen, wenn ich nur die Gelegenheit dazu bekam. Ich wusste, dass Taketsuna auch darüber nur lächeln würde. Doch als ich einen prüfenden Blick zu ihm hinüberwarf, war er verschwunden.
Am Abend fand ich mich wie immer in dem Schreibsaal ein, aber da war niemand. Also ging ich zum Zimmer meines Lehrmeisters, doch brannte kein Licht hinter der Reispapiertür, und im Raum war alles still. Wo war er nur?
Bemüht, auf keinen der anderen Mönche zu treffen, damit ich nicht noch einmal die Geschichte mit den Schattenkriegern erzählen musste, machte ich mich auf die Suche nach Hiroshi, doch ich fand ihn weder in der Gebetshalle noch bei den Kammern der anderen Mönche. Zum Quartier des Abtes traute ich mich nicht, aber mein Gefühl sagte mir, dass er dort auch nicht war. Wo war er hin?
Beunruhigt ging ich zurück in den Schreibsaal, wo ich, weil ich nichts Besseres zu tun hatte, die bisher gelernten Sutren leise vor mich hinmurmelte und mich nach der Wirkung bestimmter Kräuter abfragte.
Als der Abend voranschritt und mir klar wurde, dass mein Lehrmeister nicht mehr kommen würde, löschte ich das Licht im Schreibsaal und begab mich dann zu meiner Kammer. Im Kloster war bereits alles ruhig, nur hin und wieder vernahm ich das leise Rascheln einer Schriftrolle oder sah einen schwachen Lichtschein hinter einem der Reispapierfenster.
So leise wie möglich schob ich die Tür zur Seite und trat ein.
»Du hast großes Glück«, tönte es aus der dunklen Ecke neben dem Fenster, in die kein Licht fiel.
Erschrocken wich ich zurück, denn ich konnte in den Schatten keine Gestalt ausmachen. Doch dann trat Hiroshi daraus hervor, und es war, als würde er einen Mantel abwerfen, der ihn die ganze Zeit über verborgen gehalten
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