Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
hatte.
Erst jetzt bemerkte ich, dass sich meine Hand um etwas klammern wollte und ich überhaupt keine Waffe bei mir trug, mit der ich mich hätte verteidigen können.
»Sensei, geht es Euch gut?«, fragte ich, bemüht, mir meinen Schrecken nicht anmerken zu lassen. »Ich habe Euch überall gesucht!«
Ein grimmiges Lächeln trat auf Hiroshis Gesicht, und seine Augen sahen aus wie schwarze Löcher.
»Ich habe den Schattenkriegern einen kleinen Besuch abgestattet.«
Mir stockte der Atem. Er war im Dorf der Schattenkrieger gewesen – und unversehrt?
Hiroshi wirkte sichtlich zufrieden über mein Erstaunen.
»Du hast doch gehört, wie der Abt gesagt hatte, dass ich die Sache klären sollte. Das habe ich getan.«
Sofort blickte ich auf seine Hände. Hatte er etwa das ganze Dorf ausgelöscht? Nein, das konnte nicht sein. Er war doch auch nur ein Mensch, ein guter Krieger, der nie gegen ein ganzes Heer von Schattenkriegern ankommen würde.
»Was habt Ihr getan, um die Sache zu … klären?«
Das grimmige Grinsen verbreiterte sich. »Sagen wir es einmal so: Die Krieger, die einen persönlichen Groll gegen dich hegten, tragen diesen nun nicht mehr in sich.«
In meinem Magen klumpte sich etwas zusammen. So wie er das sagte, klang es nicht danach, dass er sie durch Verhandlungen überzeugt hatte.
Hiroshi trat näher an mich heran. War es Blut, das ich an ihm roch? Moder?
»Feuer bekämpft man am besten mit Feuer. Den Stolz eines Schattenkriegers zu verletzen bedeutet, einen immerwährenden Feind zu haben. Diese Männer hätten keine Ruhe gegeben und versucht, dich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu töten. Das wäre ihnen entweder gelungen, oder der Abt wäre früher oder später gezwungen gewesen, dich aus dem Kloster zu werfen, weil deine Anwesenheit zu viel Unfrieden gebracht hätte.« Mir schien, als wollte er noch etwas hinzusetzen, doch in diesem Augenblick war ich zu verwirrt, als dass ich hätte nachhaken können.
»Ihr habt die Männer also getötet.«
Hiroshi nickte, und mir wurde heiß und kalt zugleich.
»Wird der Abt das gutheißen?«, fragte ich kleinlaut.
»Der Abt fürchtet und verabscheut die Schattenkrieger, nur sind ihm durch ihre Überzahl und die Vereinbarungen die Hände gebunden.«
Und wieder einmal beantwortete er mir eine meiner Fragen nicht direkt.
»Aber Ihr … «
»Glaube mir, nicht nur die Schattenkrieger können töten, ohne Spuren zu hinterlassen. Ich bin in dieser Kunst auch bewandert. Ihre Kameraden werden morgen drei tote Männer finden, doch nicht einmal die Besten unter ihnen werden wissen, woran sie gestorben sind. Sie mögen vielleicht einen Verdacht hegen, doch einen Beweis haben sie nicht. Misstrauisch gegenüber unserem Kloster sind sie ohnehin, dazu reicht es schon, wenn wir ein Dach reparieren.« Er lachte kurz in sich hinein, dann löste sich seine Miene wieder ein wenig, und sein Blick wirkte weniger bedrohlich.
»Fürs Erste wirst du nun zum Schrein gehen können, ohne beschossen zu werden, aber sei gewärtig, dass dich deine Fähigkeit, Schattenkrieger zu wittern, ebenso schützt, wie sie dich in Gefahr bringen kann. Und dass die Ninjas trotz allem ihren Verdacht aufrechterhalten werden. Ich bereite dich in den kommenden Wochen auf sie vor, ich werde dir zeigen, worauf du bei ihnen gefasst sein musst und wie du sie abwehren kannst. Es ist die einzige Möglichkeit, dass du irgendwann deinen Enkeln Geschichten aus deiner Jugendzeit erzählen kannst.«
10
Hiroshi machte sein Versprechen wahr. Auch wenn der Tag nicht mehr Stunden bekam, öffnete er mir ein Fenster in das Reich der Schattenkrieger. Dabei betonte er stets, dass er bei Weitem nicht alles über diese Kämpfer, ob weiblich oder männlich, wusste. Aber es würde reichen, um mir das Überleben zu sichern – jedenfalls im Moment.
Das neue Wissen verlieh mir im ersten Moment ein Gefühl von Sicherheit, doch schnell bemerkte ich, dass es mich auch ziemlich beunruhigte. Wenn ich nachts auf meiner Matratze lag, lauschte ich unwillkürlich nach den Zeichen, die Hiroshi mir genannt hatte. Ein verändertes Wispern des Windes, ein Knarren, wo keines sein sollte, ein Vogelruf, der viel zu zufällig erschien …
Die Ninjas waren für das menschliche Auge praktisch unsichtbar, also musste man sich weitestgehend auf Geräusche verlassen.
Bekam man sie doch einmal zu Gesicht, bedeutete das fast immer den Tod. Auch ich wäre gestorben, wäre Hiroshi nicht zufällig in meiner Nähe aufgetaucht.
Um sie
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