Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
ich wollte nicht für Unannehmlichkeiten sorgen«, sagte ich, denn sicher dachte der Abt sofort an die Sache mit dem Lähmgift.
»Du darfst dich wieder aufrichten.«
Das tat ich, und für einen Moment stockte mir erstaunt der Atem. Nicht weil der Abt sonderlich böse ausgesehen hätte. Er sah aus wie immer, aber die Wand hinter ihm war eine Überraschung.
Er hatte nicht nur ein paar wunderschöne Waffen auf Lackständern aufgestellt, sondern an den Wänden hingen zarte Schriftrollen, auf denen es neben kunstvoll gemalten Schriftzeichen auch schöne kleine Zeichnungen in leuchtenden Farben gab, die den Berg Fuji mit seiner Schneehaube zeigten, Hofdamen und Krieger, oder einen Kirschbaum, von dem zarte Blüten im Frühlingswind herunterrieselten. Solche Bilder hätte ich eher im Kaiserpalast vermutet.
Hiroshis leises Zischen riss mich aus meiner Betrachtung. Bevor ich eine Entschuldigung murmeln konnte, begann Takeshi zu sprechen.
»Du hast also diesen Shuriken gefunden?«
»Ich … er steckte neben meinem Kopf im Holzbalken, kurz nachdem der Angriff vorüber war.«
»Soso, ein Angriff. Das sagte Hiroshi auch schon.«
»Ja, Sensei. Ich wurde angegriffen.« Unsicher blickte ich zu Hiroshi, denn ich wollte nichts Falsches sagen. Doch dann forderte mich Takeshi auch schon auf, ausführlich zu berichten. Ich schilderte ihm den Hergang und versuchte, möglichst gewählt zu klingen, nicht wie eine Bauerntochter, die atemlos irgendwelche Kleinigkeiten berichtet.
Als ich meine Erzählung beendet hatte, wirkte der Abt sehr nachdenklich.
»Ich glaube, dein kleiner Ausflug hat doch tiefgreifendere Folgen, als uns allen bewusst war«, begann er schließlich und blickte auf Hiroshi, als erwarte er von ihm, dass er seinen Gedanken las.
Auf diese Weise verständigten sich die beiden Männer kurz – jedenfalls schien mir das so – , dann sagte der Abt: »Hiroshi, da es deine Schülerin ist, solltest du etwas in der Sache unternehmen. Wir dürfen unser Kloster keiner unnötigen Gefahr aussetzen.«
»Wie Ihr wünscht, Sensei«, entgegnete Hiroshi und verbeugte sich erneut.
»Gut, dann könnt ihr wieder gehen. Ich danke dir für deinen Bericht, Tomoe-chan.«
Damit wandte er sich wieder der Schriftrolle zu, an der er bei unserem Erscheinen gearbeitet hatte.
Wir entfernten uns auf Knien und draußen schob Hiroshi die Tür wieder zu. Dann erhob er sich. Ich fühlte mich elend. Dass der Abt so ruhig geblieben war, irritierte mich. Wahrscheinlich war ich es nicht einmal wert, dass man richtig ärgerlich wurde wegen mir. Und dass Hiroshi sich um die Sache kümmern sollte, gefiel mir gar nicht, denn mein Lehrmeister war ja nicht gerade ein sanftmütiger Mann.
Doch die erwartete Schelte blieb aus.
»Geh in die Küche, Satoshi wird sicher schon auf dich warten«, sagte er nur und wandte sich dann zum Gehen.
»Aber Sensei, meine Bestrafung … «
Hiroshi verzog das Gesicht zu einem schmallippigen Lächeln. »Du wunderst dich, dass sich an der Bestrafung nichts geändert hat? Oder willst du mich bitten, sie zu verändern?«
»Nein, Sensei, aber ich dachte … «
»Überlasse das Denken in manchen Dingen noch mir. Es hat sich an der Bestrafung nichts geändert.«
»Dann darf ich im Kloster bleiben?« Meine Hände krallten sich schweißfeucht in mein Gewand.
»Natürlich, wo willst du sonst hin? Du warst schuld am ersten Angriff auf dich, das ist richtig, und dafür wurde eine Strafe erteilt. An der Verletzung unseres Grund und Bodens bist du nicht schuld, also werde ich mit den Schattenkriegern in Verbindung treten und die Sache klären, damit es nicht zu weiteren Vorfällen dieser Art kommt.«
Ich atmete erleichtert auf. »Vielen Dank, Sensei!«
»Wofür? Und jetzt scher dich, sonst bekommst du doch noch eine Strafe von mir, diesmal wegen Ungehorsams.«
Ich sprang auf die Füße und lief so schnell wie möglich in die Küche. Dort erwartete mich Satoshi mit grimmigem Blick.
»Wo warst du so lange? Sollen sich die Wurzeln von allein schälen?«
»Verzeiht, Satoshi-san, ich war mit Hiroshi beim Abt, deshalb konnte ich nicht früher erscheinen.«
»Beim Abt?« Der Koch kräuselte die mächtige Stirn. »Hast du irgendetwas ausgefressen?«
»Nein, ich hatte am Schrein nur eine Begegnung mit den Schattenkriegern«, entgegnete ich und begab mich zu dem Tisch, wo die schwarzen Wurzeln auf mich warteten.
Natürlich beließ es Satoshi nicht dabei, er wollte genau wissen, was sich zugetragen hatte. Während ich erzählte,
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