Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
jenen, die im Kloster geblieben waren, von der Flucht der Taira zu erzählen.
Dass Hiroshi und ich für das Aufflattern der Nachtvögel gesorgt hatten, wusste er nicht, aber es war gut so. Keinesfalls wollte ich die Aufmerksamkeit auf mich lenken. Also setzte ich mich still in meine Ecke, und während Satoshis donnernde Stimme die Küche erfüllte, schälte ich meine Gobō-Wurzeln.
Am Abend dann versammelten wir uns in gelöster Stimmung in der Gebetshalle und verzehrten das Mahl, das Satoshi und ich gekocht hatten. Die Mönche wieder in ihren Kimonos und Hakamas zu sehen, erfüllte mich mit Freude, denn im Gegensatz zum Feldlager wirkten sie hier sehr friedlich, so als würde die Welt nur aus Schriftrollen und Weisheit bestehen.
Erneut wurden Spottgeschichten über die Taira erzählt, Nobunaga ließ sich sogar dazu hinreißen, ein paar Verse aufs Reispapier zu bringen, die für Kiyomori alles andere als schmeichelhaft waren. Die Ankündigung, dieses Gedicht beim erneuten Zusammentreffen laut zu verlesen, sorgte für allgemeine Erheiterung, selbst beim Abt, der sonst um Würde bemüht war und sich nicht an den Späßen seiner Brüder beteiligte.
In der Nacht wurde ich allerdings von einer seltsamen Unruhe überfallen. Die Stille, die Dunkelheit, meine Schlafstatt – irgendetwas fühlte sich ganz und gar falsch an. Während ich auf meiner Matratze lag und den Geräuschen draußen lauschte, fiel mir auf, wie still es war. Selbst der Berg schien seinen Atem anzuhalten, als wartete er auf etwas. Das beunruhigte mich zutiefst.
Oder war ich es nur nicht mehr gewohnt, in einem geschlossenen Raum zu schlafen?
Als ich es nicht mehr auf meiner Matratze aushielt, erhob ich mich, kleidete mich rasch an und trat ans Fenster. Kaum hatte ich mich dort niedergelassen, meinte ich, einen Schatten über den Hof huschen zu sehen.
Schattenkrieger?
Ich beugte mich vor, lauschte und schloss die Augen, um zu riechen. Tatsächlich gewahrte ich eine leichte Kräuternote. Eine, die nicht von den Kräutern aus Satoshis Küche herrührte.
Kein Zweifel, sie waren hier!
Das Herz schlug mir plötzlich bis zum Hals. Schon wollte ich aus dem Fenster klettern, doch rechtzeitig genug meldete sich mein Verstand, der mir sagte, dass ich gegen die Schattenkrieger allein nichts ausrichten konnte. Also schob ich die Tür auf und huschte über den Gang zu Hiroshis Unterkunft.
Der schwache Lichtschein, der diffuse Schatten auf das Reispapier warf, ließ mich hoffen, dass mein Lehrmeister noch wach war. Meine Unruhe bezwingend schob ich die Tür leise auf und trat dann in den Raum.
Hiroshi, der auf einer Reismatte saß, schien in eine Meditation versunken zu sein. Als er meine Anwesenheit bemerkte, sah er zur Seite. Seine Augen wirkten kalt wie schwarze Steine, ich meinte, einen Anflug von Zorn darin zu sehen.
»Schattenkrieger«, wisperte ich. »Sie sind hier im Tempel.«
Hiroshi wirkte nicht überrascht. »Das war abzusehen«, murmelte er, dann erhob er sich langsam.
»Sollen wir Alarm schlagen?«, fragte ich, doch Hiroshi schüttelte den Kopf. »Das halte ich für keine gute Idee. Wir werden die anderen still benachrichtigen und dann nach ihnen suchen. Komm.«
So leise, wie wir konnten, huschten wir durch die Gänge und weckten einen Bruder nach dem anderen. Jene, die sich uns anschlossen, weckten ihrerseits weitere Brüder, sodass innerhalb kürzester Zeit das gesamte Kloster samt Schülern auf den Beinen war. Jeder nahm eine leichte Waffe mit, denn die Naginata zu holen hätte zu lange gedauert.
Schnell wurde uns klar, was ihr eigentliches Ziel gewesen war. Nachdem sich alle Mönche auf dem Hof eingefunden hatten, bemerkten wir, dass einer fehlte – der Abt war nicht da.
Das stiftete zunächst ziemliche Verwirrung, doch dann verstanden wir, was passiert war.
»Sucht das gesamte Gelände ab!«, rief Hiroshi, während er mich am Arm packte und mit sich zog.
Die anderen Mönche strömten sogleich aus, ihre Schritte hallten laut über den Hof und durch den Tempel.
»Was hast du gesehen?«, fragte mich mein Lehrmeister, nachdem wir hinter den Ställen verschwunden waren.
»Schatten, die über den Hof gehuscht sind. Ich habe keine Ahnung, woher sie gekommen sind, aber ich bin sicher, dass es Schattenkrieger waren. Ich habe sie gerochen.«
Hiroshi stockte und betrachtete mich mit ernster Miene. »Du hast sie gerochen.«
»Ja, es war eine seltsame Kräutermischung, die mir unbekannt ist. Ich wusste, dass sie es waren. Und wenn sich meine
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