Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
Grauen packte mich allein schon bei dem Gedanken daran. Vor dem Pferdestall machten wir halt.
»Soll ich Euch begleiten?«, fragte ich, doch Hiroshi schüttelte den Kopf. »Nein, du wirst wie alle anderen hier warten. Zumindest bis zum Morgengrauen. Dann gehst du hinauf zur Pferdeweide.«
»Und was soll ich da?«
»Ich muss etwas mit dir besprechen, aber das kann ich nur unter vier Augen.«
»Und warum tut Ihr es nicht jetzt?«
»Jetzt habe ich einen Auftrag, den ich erfüllen muss. Die Verhandlungen mit den Schattenkriegern werden möglicherweise bis zum Morgengrauen andauern, denn ich glaube nicht, dass sie mich gleich zu ihrem Anführer durchlassen. Schlimmstenfalls werde ich eine ganze Weile auf den Knien verbringen und warten müssen.«
Ich konnte mir vorstellen, dass das bei seinem Stolz alles andere als angenehm für ihn sein würde.
»Und was sagt Euch, dass Ihr es bis zum Morgengrauen schaffen werdet?«
»Ich kenne die Schattenkrieger und weiß, wie viel Zeit sie wofür brauchen. Sie werden begierig sein, dass wir ihre Forderung erfüllen, also wird das Gespräch nur so lange dauern, wie sie brauchen, um mir ihre Macht zu demonstrieren.«
»Eine Macht, die Ihr jederzeit untergraben könntet. Immerhin habt Ihr schon welche von ihnen getötet.«
»Und das könnte ich jederzeit wieder tun, aber in diesem Fall wäre es eher nicht ratsam.« Ein böses Lächeln huschte über Hiroshis Gesicht. »Also, bleib hier, solange es dunkel ist, und komm dann im Morgengrauen zum Treffpunkt. Ich verlasse mich auf dich.«
Damit wandte er sich um und verschwand in der Dunkelheit. Es lag auf der Hand, dass er nicht den Weg durch das Tor, sondern über die Mauer nehmen würde.
17
Was sollte ich nun mit mir anfangen? Ich kehrte zu den anderen zurück, doch sie waren alle mit Gesprächen, Mutmaßungen und Drohungen beschäftigt, sodass sie mich gar nicht bemerkten. Also verschwand ich zum Quartierhaus, wo ich die Schattenkrieger zuerst gesehen hatte. Auf dem Hof, über den ihre Schatten gehuscht waren, versuchte ich, ihrem seltsamen Kräuterduft nachzuspüren, doch den hatten sie ebenso mitgenommen wie unseren Abt. Wahrscheinlich war der Schattenkrieger, den ich gesehen hatte, einer der Unvorsichtigen gewesen, einer, dem noch der Fehler unterlief, sich sehen zu lassen.
Als mir klar wurde, dass es nichts bringen würde, wenn ich hier unten herumstand, kehrte ich in die Gebetshalle zurück. Einige Mönche hatten beschlossen, für Takeshi zu den Göttern zu beten. Andere wie Satoshi, Tenshi und Nobunaga zogen es vor, sich in die Küche zu begeben und dort ihre Schlachtpläne zu schmieden. Ich schloss mich ihnen an, hörte den Geschichten, die sie erzählten, allerdings nur halbherzig zu, denn ich ertappte mich dabei, dass ich mir um Hiroshi Sorgen machte – ganz gleich, ob er mich sonst verspottete oder nicht.
In dieser Nacht schien jedenfalls niemand ein Auge zuzutun. Alle warteten auf die Rückkehr von Hiroshi. Insgeheim hoffte auch ich, dass er früher zurückkehren würde, aber als schließlich die Morgennebel aufzogen und bis in die Klosterhöfe krochen, war er immer noch nicht da. Mir blieb also nichts anderes übrig, als seiner Weisung zu folgen und mich zur Pferdeweide zu begeben.
Um mich vor den Schattenkriegern wenigstens einigermaßen schützen zu können, nahm ich meine Naginata mit. Den neugierigen Fragen unserer Wachposten entging ich, indem ich über die Mauer kletterte. Für einen Moment geriet ich damit ab vom Weg und auf das Land der Schattenkrieger, doch wahrscheinlich hatten sie im Moment etwas anderes zu tun, als auf eine ungehorsame Mönchsschülerin zu achten. Ich sah allerdings zu, dass ich sofort wieder auf den Weg kam. Mir wurde bewusst, wie lange ich nicht mehr hier entlanggegangen war. Akihiko stand im Stall, deshalb bestand einfach keine Notwendigkeit mehr dazu.
Oben an der Pferdeweide sah ich mich um. Dies hier war zwar Besitz des Klosters, Schattenkrieger hatten hier eigentlich nichts zu suchen. Doch galten die alten Abmachungen nach dieser Nacht noch?
Ein Schauer kroch über meinen Rücken, während ich mich auf einem Stein niederließ und dann zum Wald hinaufblickte. Er wirkte wie ein schwarzer Flicken auf dem Gewand des Berges. Obwohl ich die Anwesenheit von Schattenkriegern nicht spürte, fragte ich mich, ob sie mich hier beobachten konnten.
Als wollte er mich beruhigen, zog sich der Nebel schützend um mich herum zusammen, und für einen Moment war die Stille so vollkommen, dass
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