Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
Jetzt erschien ein hinterlistiges Lächeln auf Hiroshis Gesicht. »Was, denkst du, ist der Unterschied zwischen einem Bauern und einem Krieger?«
Ich glaubte, dass er damit auf meine Herkunft anspielte, und spürte, wie Zorn in mir aufsteigen wollte. Doch dann erkannte ich, dass sein Rätsel etwas mit unserem Vorhaben zu tun hatte.
»Vielleicht besteht der Unterschied darin, dass der Bauer im Flügelschlag Donner oder die Vögel selbst erkennt, während der Krieger, der es gewöhnt ist, Kampfgeräusche zu hören und hinter jedem Baum einen Feind zu vermuten, glaubt, dass ein Pfeilhagel auf ihn niedergeht.«
Jetzt lächelte mein Lehrmeister breit. »Du hast sowohl den Donner als auch das Prasseln der Pfeile gehört. Offenbar bist du auf gutem Weg, dich von einer Bauerntochter in eine Kriegerin zu verwandeln.«
Dieses unvermutete Lob verwirrte mich, denn bisher war Hiroshi damit sehr sparsam umgegangen. Nicht einmal damals, als es mit dem Reiten besser wurde und ich Akihikos Rücken ohne fremde Hilfe erklimmen konnte, hatte er mich gelobt.
»Wenn dem so ist, warum sind dann unsere Leute nicht in Panik verfallen?«, fragte ich, auch auf die Gefahr hin, dass ich das Lob damit wieder zunichte machte.
»Weil ihre Gegner, als die Vögel aufflogen, noch nicht da waren. Unsere Späher hätten ihr Eintreffen gemeldet. Kein Krieger fürchtet etwas, das noch nicht da ist. Wahrscheinlich hätten wir anders reagiert, wenn die Taira bereits am gegenüberliegenden Ufer gelagert hätten.«
»Ihr meint, wir wären wegen eines Schwarms Vögel zu den Waffen gerufen worden?«
»Vielleicht nicht, aber die Wächter hätten auf jeden Fall versucht, eine Bewegung des Feindes zu erkennen. Nun wollen wir aber schauen, wie gut die Wachposten der Taira sind.«
Er holte einen weiteren Gegenstand aus seiner Tasche, ein Muschelhorn. Man verwendete es, wenn man die Krieger in die Schlacht rief. Damit würde man die Vögel auf jeden Fall aufscheuchen können.
Wir suchten uns eine Stelle im Schilf, von der aus wir einen sehr guten Blick auf das andere Ufer hatten. Im Lager der Taira wurde es allmählich auch ruhig, nur die Wachposten streiften umher. Würden sie den Schwindel erkennen?
Mit zunehmender Dunkelheit und Stille erwachte das Leben im Schilf. Wahrscheinlich würden sich die Nachtvögel bald auf die Suche nach Futter begeben. Ich sah zu Hiroshi, der seinen Blick starr auf das Flussband gerichtet hatte und zu lauschen schien.
So verharrte er eine ganze Weile, ohne sich auch nur einmal zu bewegen. Ich bewunderte seine Ruhe und Körperbeherrschung zutiefst, denn ich hatte Schwierigkeiten, mich ruhig zu halten. Vor Anspannung zitterten meine Muskeln, und ich hatte das Gefühl, dass sich der Schlag meines Herzens auf meinen Körper übertragen und ihn schwanken ließ.
Dann endlich hob Hiroshi das Muschelhorn an seine Lippen.
Der Klang tönte weithin über den Fluss. Nur einen Atemzug später schien das Schilf zu erbeben. Unzählige Schwingen erhoben sich, Schatten lösten sich vom Boden und stiegen in die Lüfte. Was zunächst als Rascheln begann, wurde zu einem regelrechten Sturm, als sämtliche Vögel in unserer Umgebung aufflatterten. Ich konnte den Luftzug, den sie verursachten, auf dem Gesicht spüren, schließlich wurde er so stark, dass selbst mein Haar und meine Gewänder davon wehten.
Der Mond, der sich hinter den Wolken hervorgekämpft hatte, wurde für einen Moment verdunkelt, dann zog die schwarze Wolke aus Vogelleibern zum anderen Flussufer. Selbst als sie dort angekommen war, konnte man ihr Rauschen noch hören. Ich versuchte, mit den Ohren einer Kriegerin zu lauschen, und stellte fest, dass Hiroshi recht hatte. Es klang wie Pfeilhagel, aber, wenn man genau hinhörte, auch wie fernes Kampfgeschrei. Wie Krieger, die ins Wasser stürmten, um einen nächtlichen Angriff zu wagen.
Würden die Taira es genauso wahrnehmen?
Hiroshi zog mich am Ärmel. »Ich glaube, wir sollten ins Lager zurückkehren. Vorerst können wir nichts weiter tun.«
»Können wir denn nicht warten, bis die Taira eine Reaktion zeigen?«
»Das müssen wir sogar, aber dazu sollten wir im Lager sein. Wenn sie angreifen, wird unser Schwertarm gebraucht.«
Wir rannten so schnell wie möglich zum Lager zurück.
Tatsächlich hielten sich dort unsere Brüder und auch die anderen Soldaten bereit, um auf einen Angriff der Taira reagieren zu können.
Zunächst suchten wir Takeshi auf, um ihm zu berichten, dann eilten wir zu unseren Waffen.
Bogenschützen
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