Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
Nase vielleicht auch getäuscht hat, meine Augen haben es nicht.«
»In Ordnung, dann sehen wir nach, ob Takeshi sich selbst zu helfen gewusst hat.«
Was sich hinter diesen seltsamen Worten verbarg, wusste ich nicht, doch mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Das gesamte Gelände wurde nun nach dem Abt abgesucht. Hiroshi, der offenbar bestens vertraut war mit den Geheimgängen des Klosters, führte mich zu einer kleinen Tür, die ich auf meiner Suche nach verborgenen Wegen durch das Kloster natürlich übersehen hatte, weil ich abgelenkt war von der Schriftrolle, die daran befestigt war.
Nachdem er einen versteckten Mechanismus betätigt hatte, schob sich die Tür beiseite, und wir konnten eintreten.
»Das hier ist der Geheimgang, durch den es dem Abt bei Gefahr möglich ist zu fliehen«, erklärte Hiroshi mir, nachdem er eine Fackel entzündet hatte. In ihrem unruhigen Licht erschien vor uns eine steinerne Treppe, die in die Tiefe führte.
»Meint Ihr wirklich, dass Takeshi vor seinen Feinden fliehen würde?«, fragte ich, während wir die unebenen Stufen hinter uns ließen.
»Wenn es dem Wohl des Klosters dient, schon. Auch ein Mann wie er kann es nicht mit vielen Gegnern gleichzeitig aufnehmen, schon gar nicht, wenn es sich bei ihnen um Schattenkrieger handelt.«
An die Treppe schloss sich ein schmaler Gang an, der aussah, als wäre er seit vielen Jahren nicht mehr benutzt worden. Spinnen hatten sich hier breitgemacht, ein paar Graswurzeln, die das Wachsen nicht aufgegeben hatten, hingen von der Decke herab.
Unsere Schritte klangen hier unten sehr dumpf, und ein seltsamer Druck lag auf meinen Ohren.
»Wohin führt dieser Gang?«, fragte ich, doch Hiroshi bedeutete mir zu schweigen. Wir blieben stehen, lauschten, und ich wusste nicht, ob mein Lehrmeister etwas wahrnahm. Ich jedenfalls hörte nichts.
Schließlich bedeutete er mir, dass ich ihm wieder folgen sollte.
Immer weiter drangen wir in den Geheimgang vor, zwischendurch leuchtete Hiroshi über den Boden, legte die Hand auf die Steine, lauschte wieder. Als ich meinte, dass wir uns schon in der Mitte des Berges befinden müssten, hielt er erneut inne und wandte sich um.
»Er ist nicht hier.«
»Seid Ihr Euch sicher?«
»Das bin ich. Er ist hier nicht entlanggekommen. Auch seine Entführer nicht. Sie haben ihn wahrscheinlich betäubt und dann über die Mauer geschafft.«
»Aber niemand kann einen Mann einfach so wegschaffen wie einen Sack Reis!«
Hiroshi lächelte schief. »Hast du schon einmal gesehen, wie Ameisen einen Hirschkäfer in ihren Bau schleppen?«
»Natürlich!«, sagte ich.
»Nun, dann weißt du, wie die Schattenkrieger es bewerkstelligt haben. Sie sind viele und geübt darin, Leute zu töten oder zu entführen.«
»Und wenn Takeshi bereits tot ist?«
»Das ist er nicht. Außerdem hätte einer von ihnen gereicht, um Takeshi zu töten. Es waren aber mehrere, und die Mühe machen sie sich nur, wenn sie eine kostbare Geisel haben wollen.«
Erneut tauchte die Frage nach dem Warum auf, aber ich stellte sie nicht noch einmal. Stattdessen folgte ich Hiroshi zurück durch den langen Gang.
Oben verschlossen wir die Tür wieder sorgfältig und gingen zu den anderen, die sich auf dem Platz vor der Gebetshalle und in der Halle versammelt hatten.
Ratlosigkeit herrschte bei den Männern, deren Raunen wie ein summender Bienenschwarm über dem Platz klang. Als wir eintraten, richteten sich alle Augen auf uns.
»Offenbar haben wir einen Verräter in unseren Reihen«, ergriff Hiroshi das Wort. Seine Augen waren dermaßen von Zorn erfüllt, dass das Augenweiß schwarz wie seine Pupillen erschien. »Sie haben den Abt offenbar aus seiner Kammer entführt.«
»Dann ist er sicher tot«, entgegnete einer der Mönche, doch Hiroshi schüttelte den Kopf.
»Nein, wenn sie ihn hätten töten wollen, hätten sie es gleich getan und dann seinen Kopf genommen. Sie müssen etwas anderes vorhaben.«
»Das ist bestimmt die Rache, die sie uns geschworen haben.«
»Möglicherweise, aber ich glaube eher daran, dass sie ihre Position zu stärken versuchen. Wir werden in Kürze erfahren, wogegen sie ihn auszutauschen wünschen.«
Hiroshis Worte verwunderten mich ein wenig. Gab es etwas derart Wertvolles im Kloster, dass die Schattenkrieger dafür einen Menschen entführten? Und warum hatten sie sich dann nicht dieses Gut geholt? Nein, es musste etwas anderes dahinterstecken.
»Verzeiht, wenn ich mich zu sprechen erdreiste«, begann ich, denn es
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