Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
gegrüßt, Reisende! Was führt euch zu meiner armseligen Hütte?«, fragte sie mit einer Stimme, die so brüchig war wie vertrocknetes Laub.
»Seid gegrüßt, weise Frau, wir suchen einen Weg und hoffen, dass Ihr uns helfen könnt«, sagte Hiroshi.
»Was führt dich zu der Annahme, dass ich, ein armes Weib, das Wissen besitze, euch den Weg zu weisen?«
»Die Jahre Eures Lebens geben Euch die Weisheit, und wir, die geringere Erfahrung haben als Ihr, suchen diese bei Euch.«
Diese Antwort schien der Alten zu gefallen, denn ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»So kommt denn in mein bescheidenes Haus. Doch erwartet keine Annehmlichkeiten. Diese zu bieten bin ich nicht imstande.«
Damit wandte sie sich um. Ich warf Hiroshi einen Blick zu. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, doch seine Augen waren äußerst wachsam. Was befürchtete er von dieser alten Frau?
Um nicht unhöflich zu erscheinen, schlossen wir uns an und folgten ihr in ihre Behausung. Diese bot, wie sie es angekündigt hatte, keine besonderen Annehmlichkeiten. Es war einfach nur ein kleiner Raum mit einer Feuerstelle, neben der sie wahrscheinlich ihre Schlafmatte ausrollte. In einem geschwärzten Kessel blubberte eine trübe Flüssigkeit, es roch nach Suppe.
»Nehmt doch Platz«, sagte die Alte freundlich und deutete auf die Reismatten neben der Feuerstelle. »Und dann erzählt mir, was euch zu mir führt.«
Als ich mich hingesetzt hatte, bemerkte ich, dass die Frau mich aufmerksam musterte.
»Du hast merkwürdige Augen, mein Kind«, sagte sie. »Beinahe so, als hätten sie einen Teil ihrer Farbe verloren.«
Das hatte ich selbst noch nie so gesehen. Sicher, meine Augen waren nicht so schwarz wie die anderer Bewohner unseres Dorfes, und auch im Kloster fand man nur schwarze oder braune Augenpaare. Ich hatte mir darüber noch nie Gedanken gemacht, wie ich auch noch nie über mein Aussehen nachgedacht hatte. Doch gerade dieses schien die Alte sehr zu interessieren, wie ihr neugieriger, fast schon aufdringlicher Blick verriet.
»Menschen mit ausgeblichenen Augen erwartet ein besonderes Schicksal«, fuhr sie fort, ohne dass ich etwas erwidert hätte. Zu gern hätte ich meinen Blick abgewandt, aber ich fürchtete, dass sie dann ihre dünne Hand nach mir ausstrecken und mein Gesicht berühren würde. »Ich bin sicher, dass du eines Tages von dir reden machen wirst.«
Eine Gänsehaut legte sich auf meinen Nacken. Auf einmal zweifelte ich, dass es sich bei dieser Alten um einen echten Menschen handelte, auch wenn sie so aussah und roch.
»Aber lass dich vom Geschwätz einer alten Frau nicht beunruhigen. Ihr wolltet mir erzählen, was euch zu mir führt.«
»Ihr habt vielleicht schon mitbekommen, dass die Fürsten unterhalb des Berges Hiei Krieg führen«, begann Hiroshi.
Die Frau winkte ab, und glücklicherweise schien sich ihr Interesse an mir zu legen.
»Die Menschen führen immer irgendwo Krieg. Ich glaube nicht, dass es mich interessiert, welcher Kriegsherr gerade versucht, die Macht zu erringen.«
»Das ist Euer gutes Recht. Der Krieg hat jedoch dazu geführt, dass ein sehr wertvoller Mensch in die Hände der Feinde geraten ist. Wir wollen ihn befreien, aber dazu benötigen wir einen sehr wichtigen Gegenstand.«
Die Alte sah Hiroshi prüfend an. Für einen Moment meinte ich, dass sich die Farbe ihrer Augen verändert hatte, doch als ich genauer hinsah, war der Eindruck wieder verschwunden.
»Wie kann ein totes Ding wichtig sein?«, fragte sie dann mit ahnungsvollem Unterton.
»Es ist ein sehr bedeutungsvoller Gegenstand«, antwortete Hiroshi. »Bedeutender als viele andere auf der Welt, denn er ist das Besitztum einer Göttin.«
Ein wissendes Lächeln huschte über das Gesicht der Alten. »Ihr sucht den Spiegel, nicht wahr? Den Spiegel der Göttin Amaterasu.«
»Ja, den suchen wir, und auch wenn wir seiner nicht im Geringsten würdig sind, so brauchen wir ihn für eine wichtige Aufgabe.«
Die Alte richtete ihren bohrenden Blick wieder auf mich. Ich schlug die Augen nieder, hatte aber dennoch das Gefühl, dass sie durch meine Stirn in meine Gedanken eindringen konnte.
»Ich verstehe«, brummte sie dann. »Eine wichtige Aufgabe, fürwahr. Und wer bin ich, um dem Willen der Götter im Weg zu stehen?« Ein Lächeln huschte über ihr ledriges Gesicht, das auf mich irgendwie beunruhigend wirkte. Oder lag das an der Erwähnung der Götter? Das Gespräch übers Hellsehen kam mir wieder in den Sinn. Hatte diese alte Frau die Fähigkeit
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