Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
hatte eine sehr fürsorgliche Mutter. Auch sie hätte ihn bei der kleinsten Ahnung von Gefahr in den Wald geschickt.«
»Das mag sein, aber warum hat sie meine Geschwister nicht mit mir geschickt? Sie hat sie doch auch geliebt. Glaubst du nicht, dass meine Mutter ahnte, dass ich dich im Wald treffen würde?«
»Deine Mutter mag Ahnungen gehabt haben, aber gewiss war sie nicht hellsichtig. Sie schickte dich, weil du die Älteste warst, die Hüterin deiner Familie. Vielleicht haben ihr die Götter auch einen Funken eingegeben. Denselben Funken, der mich aus der Totenwelt riss und mir die Aufgabe erteilte, dich zu führen.«
Darüber dachte ich eine Weile nach. Hatte sie wirklich nur Ahnungen gehabt? Immerhin war ihr Geist mir im Traum erschienen. Vielleicht war sie doch etwas anderes gewesen, als jedermann in ihr gesehen hatte? Auch meinen Vater hätte man auf den ersten Blick nicht für einen ehemaligen Mönch halten können, der imstande war, Schriftrollen zu entziffern.
Wahrscheinlich würde ich auf diese Frage nie eine Antwort erhalten, aber es gefiel mir, dass meine Mutter vielleicht etwas Besonderes gewesen war. Und dass sich diese Besonderheit in mir niedergeschlagen hatte, und sei es nur durch die Fähigkeit, trockenes Holz aufzuspüren.
Ein heller Schrei ließ mich zusammenfahren und mein Pferd blitzartig anhalten. Er klang wie von einem Kind oder einem Tier, was auch immer es war, es schrie vor Angst. Hiroshi schien das genauso zu sehen, denn auch er zügelte sein Pferd sofort und blickte sich um.
»Hörst du das?«, fragte ich ihn.
»Scheint eine Frau zu sein. Sehen wir nach!« Sogleich ließ er seinem Grauen die Zügel und preschte voran, sodass ich Mühe hatte, ihm zu folgen. Wir stoben zwischen den dürren Baumstämmen hindurch, und hätte ich noch Zweifel an Hiroshis übernatürlichem Wesen gehabt, so wären sie mir spätestens jetzt vergangen. So schnell, wie er sein Pferd antrieb, ritt kein normaler Mensch.
Wir schienen die richtige Richtung eingeschlagen zu haben, denn die Schreie kamen näher. Dazwischen mischte sich ein unmenschliches Geräusch. Es war ein Fauchen und Knurren wie von einem Wolf, genau genommen von einem tollwütigen Wolf, denn nicht einmal das Tier, das mich an der heißen Quelle überraschte, hatte so geklungen.
Auf einer Lichtung fanden wir sie schließlich.
Zunächst sahen wir ein herumwirbelndes weiß-rotes Knäuel, dann erkannte ich, dass es sich bei dem roten Anteil um ein Wesen handelte, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Sein breites Maul war zu einem furchtbaren Grinsen verzogen, die Zähne ragten grotesk hervor. Ledrige Haut spannte sich über kräftige Muskeln, Kopf und Rücken waren mit langen feuerroten Haaren bewachsen, die bei jeder Bewegung wie lodernde Flammen wirkten.
»Rakshasa!«, stieß Hiroshi plötzlich hervor und gab seinem Pferd die Sporen. Im Nu war er bei den Kämpfenden. Als ich ebenfalls näher kam, sah ich, dass es sich bei der weißen Gestalt um eine junge Frau handelte, die versuchte, sich das unheimliche Wesen vom Leib zu halten. Eine Waffe konnte ich an ihr nicht entdecken, dennoch schaffte sie es mit behänden Bewegungen, den Zähnen und krallenbewehrten Klauen auszuweichen.
Doch wie lange noch? Hiroshi zügelte sein Pferd, das sich daraufhin auf die Hinterbeine stellte und mit den Vorderbeinen nach dem grässlichen Wesen schlug. Als das Ungeheuer getroffen wurde, wich es mit einem wütenden Aufschrei zurück. Doch nicht für lange, dann stürzte es wieder voran. Allerdings nicht auf Hiroshi zu, auch die weiß gekleidete Frau schien es nicht mehr zu interessieren.
Stattdessen kam es direkt auf mich zu. Ich riss die Naginata aus der Scheide. Akihiko wich ängstlich zurück, doch es gelang mir, ihn mit der freien Hand ein Stück zur Seite zu lenken. Das Untier reagierte nicht schnell genug. Ich ließ die Naginata kreisen, und als es auf meiner Höhe war, packte ich kurzerhand seine flammend roten Haare und stieß die Klinge tief in seinen Hals. Der Schrei, den es ausstieß, war das Furchtbarste, was ich in meinem bisherigen Leben gehört hatte. Schwarzes Blut quoll aus der Wunde, dessen Geruch mir beinahe den Magen umdrehte.
Kein Zweifel, das, was ich mit meiner Klinge verletzt hatte, war kein natürliches Wesen, es musste ein Dämon sein. Da ihn der Stich nicht getötet hatte, trennte ich ihm mit meiner Schwertlanze kurzerhand den Kopf ab. Der Körper prallte dumpf auf den Boden, was Akihiko zur Seite tänzeln ließ. Vom Grauen
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