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Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)

Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)

Titel: Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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brauchen könnten.
    »Du weißt also nicht, wie wir in den Palast kommen?«, wunderte ich mich und bereute meine Respektlosigkeit gleich wieder. Hiroshi war immer noch mein Lehrmeister!
    Aber diesmal überging er meine Frechheit und schüttelte nur den Kopf.
    »Ich kenne mich bestens im Reich der Toten aus, das Reich des Drachenkönigs ist etwas anderes. König Enma schätzt das Meer zwar insofern, dass es ihm Seelen bringt, die er richten kann. Ansonsten hält er sich von ihm fern. Ryujin ist sehr mächtig, er kann das Meer zum Beben bringen und das Wasser aufpeitschen, dass es die Welt verschlingt. Wir müssen gut achtgeben, dass das nicht geschieht.«
    »Ein Diener des Totenkönigs macht sich Gedanken um die Lebenden?«, wunderte ich mich. »Ihr könntet doch froh sein, wenn Menschen sterben.«
    »Sosehr meinem Herrn das Richten gefällt, so wenig mag selbst er den Gedanken, dass die Welt mit einem Schlag menschenleer ist. Da hätte er auf einmal sehr viel zu tun und dann über Jahrtausende nichts mehr. Das würde ihn sehr ungehalten gegenüber seinen Dienern machen.«
    »Dann handelst du nur aus Eigennutz.«
    »Gewissermaßen.«
    »Und warum erscheint es mir nicht so? Warum spüre ich Mitleid an dir?«
    Hiroshi verzog missbilligend das Gesicht.
    »Ich habe kein Mitleid. Mag sein, dass es aussieht wie Mitleid, weil mein Gesicht das eines Menschen ist. Aber was du siehst, ist nur ein Echo der Seele, die hier drin einst wohnte. Meine wahre Gestalt ist eine andere.«
    »Das habe ich im Wald gesehen«, erinnerte ich ihn, doch er schüttelte den Kopf.
    »Nein, das hast du nicht. Die Lumpen, die ich trug, waren dazu gedacht, meine wahre Gestalt zu verschleiern, denn nicht nur meine Berührung tötet. Mein Anblick ist ebenso wie der meiner Brüder und meines Herrn für einen gewöhnlichen Menschen nicht zu ertragen.«
    »Und du bittest mich, jemanden zu töten, damit du deine Macht ausüben kannst! Warum nutzt du nicht deine wahre Gestalt?«
    »Hast du den Tod schon einmal gesehen?«, fragte Hiroshi und beantwortete damit natürlich nicht im Geringsten meine Frage.
    »Niemand sieht ihn«, entgegnete ich, denn das, was wir sahen, waren immer nur die Spuren des Todes, die Verheerungen, die er an einem Körper hinterließ.
    »Siehst du! Ich habe die Macht, mich zu zeigen oder mich unsichtbar zu machen. Ich könnte dir in unsichtbarer Gestalt folgen und jeden deiner Schritte beobachten. Ich könnte mich dir auch zeigen, aber das würde bedeuten, dass du dich nur einen Wimpernschlag später vor Enma befindest und dich seinem Urteil stellen musst. Und das würde angesichts dessen, dass du deine Aufgabe noch nicht erfüllt hast, nicht besonders gut ausfallen.«
    Mit diesen Worten verließ er die Hütte. Etwas Brauchbares schien er nicht gefunden zu haben. Als ich mich noch einmal umsah, fühlte ich mich an die alte Bauernhütte meiner Familie erinnert. Ich sah meine Mutter an der Feuerstelle stehen und meine Schwestern in der Ecke hocken. Mein Bruder ließ sich von meinem Vater zeigen, wie man eine Flöte schnitzte.
    Mit einem Kopfschütteln vertrieb ich das Bild, aber der Schmerz, den es in mir erzeugte, blieb. Tränen liefen mir übers Gesicht, doch ich wischte sie mit einer raschen Handbewegung weg. Enmas Diener sollte mich nicht weinen sehen, darüber würde er nur wieder spotten.
    Die frische Morgenluft half mir dabei, meinen Schmerz zurückzudrängen. Als ich über die Türschwelle trat, bemerkte ich erneut eine tiefgreifende Stille. Nebel waberte dicht zwischen den Bäumen wie ein greifbares Wesen. Meine Haut prickelte, und mir war, als lägen die Blicke von tausend Augen auf mir. War ich wirklich wach oder träumte ich? Vielleicht würde ich gleich noch einmal erwachen, im Haus der Alten, während diese das Feuer schürte und die Morgensuppe kochte.
    »Nun komm, wir haben einen langen Weg vor uns. Und wer weiß, was uns darauf begegnet.«
    Mit langen Schritten eilte Hiroshi zu seinem Pferd, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Wir schwangen uns in den Sattel und ritten am Haus vorbei in westlicher Richtung. Unterwegs löste sich der dichte Nebel auf, dafür zogen sich Wolken über den Baumkronen zu einer dunklen Decke zusammen. Der Regen ließ nicht lange auf sich warten. Hiroshi, dem es nichts auszumachen schien, bis auf die Haut durchnässt zu werden, interessierte der Wolkenbruch nicht. Offenbar fühlte er nichts dabei. Aber ich klapperte mit den Zähnen, als würde jemand eine Bambusrassel

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