Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
Kanehira, denn eine ganze Weile blickte er stumm ins Feuer. Schließlich sagte er: »Als ich ein Junge war, lehrte mich unser Waffenmeister, dass Furcht der größte Feind des Kriegers ist. Jedenfalls in dem Augenblick, wenn er einen Kampf führen muss. Dazu, wie Furcht nach einem Kampf zu bewerten ist, hat er sich nie geäußert, und so kann ich dir nicht sagen, ob es gut ist oder schlecht.«
Darum hatte ich ihn auch nicht gebeten. »Wahrscheinlich ist sie vollkommen sinnlos«, sagte ich laut, denn etwas Besseres wollte mir nicht einfallen.
»Sinnlos ist nichts auf der Welt, so viel habe ich schon gelernt. Der Tod eines Kriegers kann ein Heer zum rücksichtslosen Angriff bringen. Der Tod eines Fürsten kann ein Land zu Fall bringen. Alles hat einen Sinn.«
Er verstummte, und ein Schatten der Sorge legte sich über seine Gestalt.
»Er wird nicht sterben«, sagte ich leise, denn ich spürte, dass er an Fürst Yoshinaka dachte. »Er ist jung und stark, und die Götter sind mit ihm.«
Kanehira nickte. »Ja, das sind sie wirklich.«
Ein paar Stunden später war das Feuer erloschen. Da Kanehira sich bereit erklärt hatte, neben dem Fürsten zu wachen, streckte ich mich auf meinem Schlaflager in der gegenüberliegenden Ecke der Hütte aus. Doch obwohl ich sehr müde war, konnte ich die Augen nicht lange geschlossen halten. Stand die Hütte unter Beobachtung? Nur flach atmend beobachtete ich die Schatten der Bäume vor der Hütte und lauschte nach den Geräuschen, die in der Dunkelheit noch viel lauter zu sein schienen als sonst.
Doch ich konnte keine Schattenkrieger ausmachen. Würden sie überhaupt hierherkommen? Der Berg Hiei war ziemlich weit entfernt. Vielleicht hatte mich Hiroshi nur dazu bringen wollen, besonders wachsam zu sein, aber das war ich ohnehin.
Doch meine Wachsamkeit wurde schließlich von der Müdigkeit überwältigt, und als ich einschlief, war ich felsenfest davon überzeugt, dass die Ruhe, die ich fühlte, von dem sanften Lied des Windes kam, der um die Hütte strich.
22
Am Morgen war der Zustand des Fürsten unverändert. Die Wunde blutete nicht mehr, dennoch war sie feucht und bedurfte dringend eines neuen Verbandes. Schweigend löste ich den alten Verband, reinigte die Haut und bestrich die Wunde mit der Kräuterpaste. Dann legte ich neue Tücher ein.
»Wie kommt ein Mädchen wie du ins Kloster?«, fragte Kanehira danach so unvermittelt, dass ich beinahe den kleinen Kräutertiegel fallen ließ, den ich gerade beiseitestellen wollte.
»Wie meint Ihr das, Kanehira-san?«
Der Mann betrachtete mich lange, was mich ungemein verlegen machte. Ich war es schließlich nicht gewohnt, solche Aufmerksamkeit von einem Mann zu erhalten, die Mönche sahen mich eher als ihresgleichen an.
»Du bist recht hübsch, mit anderen Gewändern wärst du sogar schön. Solche Mädchen werden verheiratet, aber nicht in einem Kloster aufgenommen, in dem sich die Jungen als Mädchen verkleiden müssen. Ich glaube kaum, dass du den Abt damit getäuscht hast, indem du dich als Junge ausgabst.«
»Das brauchte ich nicht, Herr, Takeshi hat mich in dem Wissen aufgenommen, dass ich ein Mädchen bin.«
Kanehira zog die Augenbrauen hoch, dann nickte er. »Das ist sehr ungewöhnlich. Ich meine, wärst du ein Dienstmädchen, würde es mich nicht wundern, aber der Mönch hat dich als seine Schülerin bezeichnet. Und ich habe dich kämpfen sehen. Es gibt viele Frauen, die gut mit einer Naginata umgehen können, ich habe auch schon Nonnen getroffen, die die Waffe beherrschten, aber nie habe ich eine Frau so kämpfen sehen.«
»Ihr beschämt mich, Herr, meine Kampfeskünste sind bestenfalls armselig.«
»Das sind sie nicht.« Wieder versank sein Blick in meinem Gesicht. Diesmal noch länger, sodass ich mich fragte, ob es etwas darin gab, das sein Missfallen erregte.
»Verzeiht, Herr, ich wollte Euch nicht verärgern«, sagte ich und senkte beschämt den Blick.
»Das hast du nicht, Mädchen. Allerdings frage ich mich … «
Was er sich fragte, verriet er mir nicht. Stattdessen verstummte er, und ich sah, wie sich ein Schleier über seine Augen legte.
Sollte ich ihm erzählen, was mich ins Kloster geführt hatte? Wahrscheinlich würde ich ihn damit langweilen.
Doch dann forderte er mich auf: »Sag, wie bist du ins Kloster gekommen? Du hast sicher nicht seit deiner Geburt dort gelebt, oder?«
»Nein, Herr, ich bin vor mehr als einem Jahr dort aufgenommen worden. Die Mönche haben mich gefunden, nachdem … « Ich
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