Die San-Diego-Mission
daß die judiciales anrückten! Und daß es einem jetzt leicht passieren konnte, Limonade durch die Nase trinken zu müssen! Und dann sahen sie deutlich die Umrisse eines judicial, der eine Maschinenpistole trug!
Ein Hubschrauber der Border Patrol vergrößerte dieses ganze Chaos noch aus der Luft, indem er nahezu im Sturzflug runterkam und die ganze Bande, die gerade dabei war, die beiden Verwundeten zu versorgen, so lange hell anstrahlte, bis Manny sich das Funkgerät schnappte und sagte: »Sagt diesen Border-Patrol-Leuten, daß sie das Licht ausschalten, oder ich knall die Mühle ab!«
Dabei wären sie gar nicht mehr imstande gewesen, irgendwas abzuknallen. Sie hatten ihr Pulver total verschossen. Entweder hatten sie ihre Munitionsvorräte verbraucht oder beim Laden vor lauter Verwirrung verloren.
Drei Barfer brüllten gleichzeitig: »ICH HAB KEINE MU-NITION MEHR!«
Die Verletzten wurden geschleppt, gezerrt, gezogen und gestoßen, und Manny hatte den Kopf von Chuey Hernandez, dem das fürchterlich weh tat, im Schwitzkasten, als sie allesamt nach Norden rannten, dem Gejaule eines Krankenwagens entgegen, der aus Richtung Außenstation kam. Als sie allesamt Ken Kelly und Robbie Hurt entgegenrannten, die in zwei Autos in halsbrecherischem Tempo über die dreckige Straße jagten und beide, wie sie glaubten, ihren dritten oder vierten Herzinfarkt in diesem Monat hatten.
Während all dies noch im Gange war, stand Joe Vasquez, der an diesem Abend das Schrotgewehr getragen und prompt eine Ladehemmung gehabt hatte, immer noch direkt am Zaun und deckte den Rückzug. Er sah fasziniert, wie die vielen Autos mit Sirenengeheul den mexikanischen Highway hochrasten und ganz in der Nähe des Lochs im Grenzzaun schleudernd und rutschend zum Stehen kamen.
Innerhalb von Sekunden hatte das erste Dutzend uniformierter Cops den Grenzzaun erreicht. Dann brausten die judiciales heran. Dann noch ein Streifenwagen und noch einer. Dann sechs Streifenwagen auf einmal, die jeweils zu zweit nebeneinander fuhren und den gesamten entgegenkommenden Verkehr total blockierten. Dann ein halbes Dutzend Zivilwagen mit noch mehr judiciales. Dann sah Joe Vasquez, wie sich dieser judicial mit der Maschinenpistole näherte, und dachte: Höchste Zeit. Zeit, abzuhauen.
Während er sich umdrehte, brüllte er: »Höchste Zeit! Zeit, abzu…«
Er redete mit sich selbst. Sie waren längst abgehauen. Als der Hubschrauber über ihren Köpfen schwebte und sie anstrahlte wie eine Schar Schönheitsköniginnen, hatte der Lärm alle lauten Kommandos überdeckt. Sie hatten Carlos Chacon und Chuey Hernandez weggetragen und weggezerrt und waren einfach abgehauen.
Big Ugly hatten sie zurückgelassen. Er war völlig allein. Die guyabera- Buschhemden waren an der Spitze der uniformierten Cops. Sie rannten direkt in seine Richtung und leuchteten mit ihren Scheinwerfern kreuz und quer durcheinander in jeden Gebüschwinkel.
Ein überraschter Border-Patrol-Mann parkte an diesem Abend mit seinem Jeep auf dem Mesa und sah, wie ein grimmig dreinschauender Pollo in einem Tempo, das ihn für die Polizeiolympiade qualifiziert hätte, heranraste.
Joe Vasquez erreichte den Border-Patrol-Mann an der höchsten Stelle, schwenkte im Licht der Scheinwerfer die Dienstmarke und schrie: »Bringen Sie mich hier weg!«
Die mexikanische Polizei fing an zu schießen, wahrscheinlich auf ein paar im Gebüsch versteckte arme Pollos. Sie wandten sich über Funk an den Helikopter des Sheriffs und sagten: »Helfen Sie uns. Mehrere Gangster haben unsere Leute angeschossen!«
Pedro Espindola wußte bis dahin immer noch nicht, daß Manny und seine Leute Cops waren. Er schaffte es bei vollem Bewußtsein bis ins Krankenhaus. Er überlebte seine vier Verletzungen und nahm am Ende seinen Dienst wieder auf.
Chuey Hernandez hatte an diesem Abend zwei Schußverletzungen erlitten. Eine Kugel steckte noch in der Bauchgegend; die andere hatte seinen Arm durchschlagen. Das Polizeilaboratorium von San Diego stellte fest, daß er von Carlos Chacon angeschossen worden war. Chuey Hernandez lag fünfzehn Tage lang im Krankenhaus in San Diego. Als seine Frau Miki ihn besuchte, konnte sie gar nicht mehr aufhören zu weinen. Nachdem zunächst keiner der beiden verstehen konnte, weshalb Chuey Hernandez angeschossen worden war, redeten sie mit den Detectives aus San Diego. Schon wenige Tage später hatte sie keinen Zutritt mehr zu ihrem Mann, weil die Regeln für Gefangene es verboten. Sie durfte nur noch in den
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