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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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hatten, daß sie Action erlebten.
    Eines jener verwirrenden Erlebnisse, die sich Ken Kelly in dieser Nacht einprägten, hatte er, als er vor den Horden der durch den Grenzzaun strömenden mexikanischen Polizisten davonfuhr, die wild entschlossen waren, diese Gangster umzulegen, die ihre Leute angeschossen hatten. Manny Lopez und Tony Puente saßen in seinem Wagen. Tony Puente versuchte dauernd zu reden, hatte damit aber ungefähr soviel Erfolg wie ein vom Schicksal geschlagenes Überfallopfer. Sein Atem ging viel zu schwach und zu schnell, und er versuchte, sich dadurch zu beruhigen, daß er tiefer atmete, was genau das Falsche war, bis er das Problem erkannte und im Griff hatte und aufhörte, dauernd tief durchzuatmen, nach Luft zu schnappen, durchzuatmen. Ken Kelly glaubte, Tony würde im nächsten Moment zusammenbrechen und weinen, und warum, zum Teufel, eigentlich nicht? Er hatte ein Recht dazu.
    Zum Schluß war Tony Puente in der Lage, sich wenigstens in Silben zu äußern. Er sagte: »Ver…« und nach einer Pause von fünf Sekunden »…dammt!«
    Tony Puente reagierte im Grunde genau wie alle anderen. So mußte, als sie die Substation erreichten, mehr als einer zum Lokus gehen und hinter einer Tür verschwinden, die sich dann länger nicht mehr öffnete.
    Im Wagen jedoch saß neben Tony Puente sein Anführer, Manny Lopez. Und Manny meinte: »Ich glaube, wenn uns diese Schnösel erwischt hätten, wären wir jetzt alle tot. Nur eine Sache ärgert mich, ich hab hundertprozentig geglaubt, ich wäre getroffen worden. Ich muß echt meinen verdammten Verstand verloren haben. Na schön.«
    Na schön. Er hörte dann auf zu reden und fragte Ken Kelly, wie spät es sei, und Ken Kelly war überzeugt, daß Manny überlegte, ob er, wenn er mit dem ersten Schub von Reportern selber spräche, nach all diesem Papierkram und den TV-Interviews noch rechtzeitig in die Kneipe kommen würde, bevor die Feierabend machte.
    Ken Kelly bekam langsam Kopfschmerzen. Manny Lopez sah eigentlich nicht verärgerter aus als damals, als Ken Kelly von zu Hause weggelaufen war. Ken vermutete, daß Manny sich im nächsten Moment nach den Baseballergebnissen erkundigen würde.
    Was Ken Kelly jedoch zu Tode entsetzte, war die Tatsache, daß ihm urplötzlich ein völlig neues Licht über Manny Lopez aufging: Dieser Schweinehund war wirklich verrückt! Dieser Schweinehund würde sogar gegen den Heiligen Geist ziehen!
    Bei Carlos Chacon war doch keine Schlagader verletzt worden. Man behandelte ihn wegen einer Kugel im Oberarm, und er wurde noch in der Nacht aus dem Krankenhaus entlassen, kriegte dann allerdings eine böse Infektion und blieb für drei Monate dem Dienst fern.
    Am Abend dieser internationalen Schießerei hatte im übrigen eine Polizeiabschlußklasse zufällig eine große Sause auf dem Pistolenschießstand veranstaltet. Als dann Alarm gegeben worden war, hatten sich wegen dieser Party gerade Mengen von hohen Tieren in der Southern Substation eingefunden. Sie gingen zu jedem Barfer einzeln und fragten immer dasselbe: »Wie geht's denn, mein Junge?«
    Mehrere hohe Beamte, die, wie die Barfer sagten, die Canyons sicher erst dann mal besuchen würden, wenn den Leguanen Augenbrauen gewachsen wären, gaben der Presse außerdem Interviews. Genau die Sorte Leute, die, wie wiederum die Straßencops meinen, Kommandoentscheidungen bloß dann treffen, wenn ihre astrologischen Konstellationen, ihre biorhythmischen Tabellen und die Sonnenflecken in Ordnung sind. Oder wenn sie's im Teesatz lesen.
    Erst sehr spät in der Nacht ließ sich dann bei Manny Lopez doch noch eine gewisse Form von Emotion erkennen. Er zog die Jacke aus, stellte sich vor den Spiegel, checkte sich gründlich durch und schrie glücklich: »Na siehste! Ich wußte, daß ich getroffen worden bin!«
    Die erste Kugel, die Chuey Hernandez abgefeuert hatte, war durch den Kragen seiner Fliegerjacke gegangen und hatte dort, wo sie ausgetreten war, die Schulterklappe beschädigt.
    Manny sagte: »Und dabei hab ich schon gedacht, ich wär bescheuert!«
    Worauf Ken Kelly die anderen Barfer anschaute und sah, daß sie sämtlich ins Leere starrten.
    Das BARF-Experiment hatte nunmehr zu dem Ergebnis geführt, daß unter dem Strich sechs Gesetzeshüter angeschossen worden waren, drei von jeder Seite der imaginären Linie. Und in allen Fällen von anderen Gesetzeshütern.

 

    16. KAPITEL
    Pilatus
    W enn es an einer bestimmten Sache noch Zweifel gegeben haben sollte, so waren sie nach der

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