Die San-Diego-Mission
beraten sein, wenn er gegen den Cop aus Tijuana Anklage erheben würde. Am Montag, nach dem langen Wochenende, lud Chief William Kolender zu einer Pressekonferenz über den Vorfall ein, bei dem die Polizisten aus Tijuana angeschossen worden waren.
Frühere Chiefs waren in der Regel Law-and-Order-Typen, die die Evangelien und J. Edgar Hoover zu zitieren pflegten, wenn sie von einem Club um ein Referat gebeten wurden. Im Vergleich mit ihnen war William Kolender, ein Gesetzeshüter, der Karriere gemacht hatte, erstaunlich differenziert. Er war eine große, imposante Erscheinung und für einen Chef ziemlich jung, und er hatte bei Medien, Politikern, in der Öffentlichkeit und bei den Cops ein vorzügliches Image. In seinem Job, immerhin, mußte man gaukeln können.
Im Grunde hatte er zwar in einer Stadt, die zu einem Fünftel schwarz und braun war, für die benachteiligten Minderheiten-Cops eine Anzahl positiver Veränderungen durchgesetzt. Da er aber immer wußte, wie weit er gehen konnte, waren nach wie vor die Traumjobs vorrangig von Weißen besetzt. Er machte also nie zu heftig Dampf.
Es war jeweils ein denkwürdiger Anblick, wenn Chief Kolender, stets angezogen wie bei General Motors, neben seinem ersten Revolverhelden stand, der sich rausgeputzt hatte, als ob Samstagabend wäre und er gleich in eine Bar für Singles gehen wolle, und im Grunde war die Szene irgendwie durchaus typisch für die Vielfalt der Strömungen in einem Department, das neue Wege zu gehen beabsichtigte. Manny Lopez war in gewisser Weise ein Symbol für die Neuerungen, die der Chief in seiner momentan noch kurzen Amtszeit eingeführt hatte. Man wußte, daß es die BARF Squad unter früheren Administrationen nie gegeben hätte. Ganz gewiß wäre sie nach der ersten ernsthaften Schießerei aufgelöst worden. Chief Kolender hingegen hatte auf der einen Seite im Rahmen seiner Möglichkeiten nicht bloß sofort die Notwendigkeit erkannt, daß die Grenzgänger im Stadtgebiet von San Diego geschützt werden mußten, sondern war andererseits auch immer so souverän gewesen, seinen Männern bereits nach den ersten internationalen Konfrontationen den Rücken zu stärken.
Gaukeln jedoch ist nie ein leichtes Geschäft, und ein Polizeichef, der von Politikern auf seinen Posten berufen wird, erkennt während seiner Amtszeit sehr schnell, daß man gerade dann sein Verhältnis zur Presse pflegen muß, wenn der Weizen blüht. Das war ja momentan der Fall, denn die Beziehungen des Departments zu den Medien war dank BARF so positiv, wie sie es seit der Jahrzehnte zurückliegenden Fernsehshow Stahlnetz nie mehr gewesen waren.
Es kam hinzu, daß Chief Kolender für Manny Lopez echte Bewunderung empfand. Er sagte häufig: »Ich bin noch nie so tapfer gewesen. Würden Sie in die Gegend gehen und das tun, was BARF tut? Ich würd's nicht.«
Ganz im Gegensatz dazu also, was die Detectives der Mordkommission privat dachten oder sagten, wurde das Gefecht, bei dem die mexikanischen Polizisten verwundet worden waren, vom Chief öffentlich und nichtöffentlich in Schutz genommen. Montags jedoch, vor der Pressekonferenz über diese internationale Schießerei, wurden die Barfer von einem Beamten der Presseabteilung gebeten, zunächst außerhalb des Central Headquarters zu warten, scheinbar wohl nur, um Chief Kolender, der ja unter dem Strich kein Revolverheld war und darum sicher nicht mit ihnen konkurrieren konnte, den großen Auftritt nicht zu vermasseln.
Die Barfer warteten dann in einer nahe gelegenen Copkneipe namens Bernie's. Nach wenigen Minuten erhielt Manny Lopez in dieser Kneipe einen Anruf. Deputy Chief Robert Burgreen meldete sich und sagte ihm, die Zeitungen seien quasi schon im Druck. Die Barfer würden sich in den allerneuesten Ausgaben wiederfinden.
Manny Lopez ging zu seinen Leuten zurück und schrie: »Alles raus hier! Geht zu Anthony's Harborside und besauft euch! Auf meine Rechnung!«
Dann hetzte Manny Lopez zum Central Headquarter, schlüpfte durch eine Seitentür und ging zum Büro von Deputy Chief Burgreen, wo er erfuhr: »Chief Kolender wird eine Anklageerhebung gegen Hernandez nicht befürworten.«
Darauf erwiderte Manny Lopez: »Na, das ist ja 'n Ding. Ich kündige.«
»Wollen Sie sich das nicht noch mal überlegen?« fragte der Deputy Chief.
»Es ist seinerzeit keine Anklage gegen den Einwanderungsbeamten erhoben worden, der mich fast erschossen hätte! Jetzt wird keine Anklage gegen den Cop erhoben, der einen von meinen Leuten angeschossen
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