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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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komisch fand. Er meinte, sie sollten sich ab sofort vielleicht doch besser Zyankalikapseln in die Zähne stecken.
    Während der Wochen, in denen sie dann südlich der imaginären Linie operierten und vor den Gesetzeshütern aus Tijuana mehr Angst hatten als vor sämtlichen Gangstern, die nach Mord rochen, fingen sie an, untereinander und mit ihren Frauen und besten Freunden zu reden. Natürlich immer bloß dann, wenn sie den Kanal richtig voll hatten, weil ein hartgesottener macho -Revolverheld nicht über solche Dinge redet, solange er nüchtern ist. Jedenfalls fingen sie etwa in dieser Zeit an, über Angst zu reden.
    Alle Diskussionen über Angst führten zwangsläufig zu einer Diskussion über Manny Lopez. Nicht etwa darüber, daß mittlerweile alle Angst vor ihm hatten; es wäre nach wie vor absolut gegen die ungeschriebenen machismo -Gesetze gewesen, dies auch nur zu erwähnen, obgleich das Gefühl praktisch bei allen vorhanden war, ausgenommen höchstens Big Ugly. Das wiederum kam dadurch, daß Joe Vasquez Manny Lopez viel zu sehr respektierte, bewunderte und wohl sogar liebte, als daß er ihn so wie die anderen hätte fürchten können.
    Big Ugly drückte es so aus: »Vielleicht sind wir da draußen tatsächlich untergebuttert worden, aber die Sache ist ja doch die, daß ich immer wußte, daß Manny uns nichts abverlangen würde, was er sich nicht selber zumuten würde. Und außerdem wußte man ja, daß er, ganz egal, was es war, immer in der Lage gewesen wäre, es besser zu machen als einer von uns. Die Sache ist einfach die, daß Manny eine geborene Führerpersönlichkeit war. Ich hab ihn nie so gehaßt wie ein paar von den anderen Jungs.«
    Fred Gil sagte: »Manny gab einem dieses Gefühl, daß man in jedem Fall darauf achten sollte, ihn weder zum Feind noch zum Freund zu haben.«
    Ernie Salgado meinte: »Ich hab ne Menge Sergeants und Lieutenants kennengelernt, als ich in Vietnam war. Ich hab sie kommen und gehen und sterben sehen. Aber ich hab nie so einen wie ihn erlebt. Wenn ich da Vergleiche anstellen müßte, könnt ich vielleicht am ehesten sagen, daß ich ihm gegenüber ähnliche Gefühle hatte wie bei meinem Ausbilder in der ersten Zeit beim Marinecorps.« Wie er das meinte, konnte man sich leicht vorstellen.
    Die Outsider wie Robbie Hurt und Ken Kelly, die sich dem Gesetz des machismo nicht so verpflichtet fühlten, äußerten sich direkter.
    »Wir hatten eine Scheißangst vor ihm. Wenigstens zeitweise«, erklärte Robbie Hurt. »Was Manny selber unter Angst verstand, war bestimmt nicht das Gefühl, das ich Angst genannt hätte.«
    Unter dem Strich half's ihnen am Ende gar nichts mehr, zu wissen, daß Manny ihnen nie was abverlangen würde, was er nicht selbst machen würde. Das war ja das Schlimme. Sie wußten, daß er's selbst machen würde, wenn er was von ihnen verlangte! Manny war Familienvater und hatte hübsche, nette Kinder, aber auch der letzte Barfer kam über kurz oder lang unausweichlich zu der Erkenntnis, daß Manny Angst als Selbsterhaltungstrieb überhaupt nicht kannte. Und die Erkenntnis war das Allerschlimmste.
    »Es war ungefähr die Angst, die man vor Irren hat«, sagte Ken Kelly über ihre Angst vor Manny Lopez. »Vor unberechenbaren, gefährlichen, glücklichen Irren.«
    Manny war quasi allgegenwärtig: Ist er bloß ein Pünktchen am Horizont, oder fällt er einem gleich auf den Kopf wie ein Safe aus dem zehnten Stock?
    »Ich wußte, daß sie Angst vor mir hatten«, soll Manny Lopez gesagt haben. »Das mußte so sein. Wir machten schließlich keine normale Polizeiarbeit.«
    Normale Polizeiarbeit? Nicht mal annähernd. Als Eddie Cervantes aus seinem Urlaub in Fresno zurückkam, wo er sich die umfangreichen Berichte über die internationale Schießerei im Fernsehen angeguckt hatte, war er selbst am meisten erstaunt, daß er hinsichtlich dieser von den Medien bislang am meisten hochgejubelten Ballerei keine Bohne verärgert war. Er meinte, er müsse doch eigentlich neidisch sein, weil er nicht dabei gewesen war. Er meinte, er müsse sich im Grunde ausgeschlossen vorkommen, wenn die anderen darüber redeten, weil genaugenommen immer er derjenige gewesen war, der am meisten darüber gemeckert hatte, daß Manny die Schlagzeilen regelmäßig allein mit Beschlag belegte.
    Komischerweise jedoch war er alles andere als neidisch. Er wurde das Gefühl nicht los, im Grunde sei es ein Wunder, daß an diesem Abend keiner von ihnen getötet worden war. Und wenn er mit seinen fünfzehn Pfund

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