Die San-Diego-Mission
judicial?
Also, wer war's? Und wie konnte der Eigentümer der Stimme wissen, daß es sich bei diesen Schatten, die hier südlich der Linie herumgeisterten, um Polizisten aus San Diego handelte? Es war unmöglich!
Aber die Stimme hatte geschrien: »Sergeant Loooopez! Sind Sie das?«
Renee Camacho konnte sein Gefühl der Angst nicht mehr loswerden. Dagegen war kein Kraut gewachsen. Er verbrachte mehr und mehr Zeit damit, sich mit seinem Vater Herbert Camacho zu unterhalten. Der Friseur sagte seinem einzigen Sohn immer viel Tröstliches, und Renee erzählte seinem Vater, daß er sich von der zwanghaften Vorstellung, auf Gangster schießen zu müssen, bevor sie eine Chance hätten, ihre Waffe zu ziehen, nicht freimachen könne.
»Ich hab das Gefühl, ich müßte es so machen, und stell mir dauernd vor, was passieren könnte«, gestand Renee. »Ich bin in der Hinsicht auch von Snider enttäuscht. Vielleicht sollte er doch einfach mal eingreifen und die Leute turnusmäßig aus den Bergen rausnehmen, oder vielleicht sollte wenigstens mal einer unsere gefühlsmäßige Verfassung unter die Lupe nehmen. Ich glaub, 'n paar von den Jungs werden allmählich ganz schön verrückt.«
Dick Snider war der Prototyp eines Weißen, den Herbert Camacho bewunderte, einer von denen, die Spanisch sprachen und wußten, was man unter Kultur verstand, ein gefühlvoller Mann, wie der Friseur sagte. Er wußte noch genau, wie er dem BARF-Lieutenant gesagt hatte: »Paß bloß auf meinen Jungen auf. Paß vor allem jetzt auf ihn auf!«
Aber Dick Snider war im Laufe der Zeit mehr und mehr kaltgestellt worden, und Renee Camacho erzählte seinem Vater, die Sache sei völlig hoffnungslos. Er hatte jede Menge Gespräche mit seinem Vater.
Die anderen Barfer merkten, wie der früher so unbekümmerte junge Renee sich immer mehr veränderte. Genau wie die meisten von ihnen schien er sich von den anderen Cops in der Southern Substation immer mehr abzusondern und war sogar ausgesprochen unfreundlich. Barfer redeten im Umkleideraum kaum je ein Wort mit den anderen. Oft genug schienen sie's nicht mal zu hören, wenn einer grüßte. Die anderen Cops glaubten, sie würden sich in ihrem Elitebewußtsein und ihrem Ruhm förmlich suhlen. Sie kannten die Wahrheit nicht.
Die Barfer hatten mittlerweile Angst vor den unwahrscheinlichsten Dingen: daß die Gangster sich auf die Lauer gelegt hatten, um die Cops aus San Diego, die ihnen das Geschäft so vermasselt hatten, ein für allemal aus ihren Canyons zu verscheuchen. Sie gerieten jedesmal in Panik, wenn ein Eselhase durchs Unterholz huschte. Aus einem Coyoten, der sich klammheimlich wegschlich, wurde ein Mann, der nur darauf lauerte, sie zu ermorden. Die schattenhaften Umrisse von verkrüppelten Eichen rannten vor ihnen weg. Vor einem ächzenden Baum blieb ihnen oft fast das Herz stehen. Sie steckten ihre Waffen inzwischen überhaupt nicht mehr weg. Ihre Waffen kriegten Rostflecke von schwitzenden Handflächen und schmerzhaft zusammengepreßten Fingern.
Manchmal hörten sie mehrere Gewehrfeuersalven gleich jenseits der Grenze. Eines Abends hörten sie, wie eine automatische Waffe abgefeuert wurde, und Manny wollte bloß mal eben rüberbummeln und gucken, was los war. Bevor sie auch nur die halbe Strecke gegangen waren, hatten sie ihn, Mann für Mann, dusselig gequatscht und überzeugt, daß es besser wäre, NICHT hinzugehen!
Und was war mit Ticks? Es gab Barfer, die allmählich nervös mit den Augen zwinkerten, stotterten, Kopfschmerzen hatten, Verdauungsstörungen kriegten, unter andauernden Rückenschmerzen litten. Ken Kelly sagte, die Gegend sei so erholsam wie die Schweiz.
Der Druck zu Hause wurde für nahezu alle immer unerträglicher. »Schießerei an der Grenze. Filmbericht um elf!« Die TV-Nachrichtensprecher hatten es einfach zu oft gesagt, und außerdem fühlten sich die Frauen immer einsamer. Sharlynn Camacho hatte sich von Renee hundertmal versprechen lassen, daß er, wenn das Baby erst mal da sei …
Seine Gedanken kreisten pausenlos um dieses Baby. Was würde es sein, ein Junge oder ein Mädchen? Würde es mexikanisch aussehen oder weiß wie die Mutter? Würde es groß oder klein sein? Und am Ende natürlich die Frage, ob er sein Baby je sehen würde?
Und eines schönen Abends nahm Manny Lopez Renee Camacho zur Seite und meinte, als ob er Gedanken lesen könne:
»Renee, du bist einer von den wenigen Jungs, auf die ich mich echt verlassen kann. Ich weiß genau, daß du mich nie im Stich
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