Die San-Diego-Mission
wird euch ne Lehre sein, von wegen, hilflose Pollos zu bescheißen, ihr kleinen Arschlöcher!«
Im Grunde war's ja doch nur Dognapping gewesen. Eddie Cervantes nahm den Köter mit nach Hause und nannte ihn »Migra«, zu Ehren aller Border Cops. Aber ein Happy-End gab's anscheinend für kaum eine Kreatur, die aus diesen Canyons kam. Der kleine Köter konnte sich an die vielen Bäder und das Flohpulver und das nahrhafte Futter einfach nicht gewöhnen. Er ließ den Kopf hängen und mochte Amerika offensichtlich gar nicht besonders leiden. Eines Tages haute er ab. In Richtung Süden. Resozialisierung war eben doch nicht so leicht zu bewerkstelligen, wie manche Leute glaubten.
Dann tauchte eines Tages im Deadman's Canyon eine Rotte von Gangstern auf, vor dem Ensemble ebenso wie vor der Zweitbesetzung. Sie ließen aus unerfindlichen Gründen die kleineren Männer des Ensembles links liegen. Sie gingen an Eddie Cervantes und Tony Puente und Manny Lopez vorbei, wandten sich an Carlos Chacon und Ernie Salgado, die größeren Männer, und versuchten es dort mit einem Messer. Natürlich wurden sofort alle Barfer aktiv, schlugen die Räuber zusammen, warfen sie zu Boden und entwaffneten und fesselten sie. Plötzlich jedoch strömten weitere Strolche aus den Hütten am Hang und schleuderten schwere Felsbrocken auf die Barfer weiter unten, während die Gangster ihren Genossen ununterbrochen »socios! Hilfe!« zubrüllten.
Daraufhin passierte eine seltsame Sache. Eine weitere größere Gruppe von Menschen kam aus den Hütten. Keine Gangster, keine Junkies, keine Schmuggler. Einfach nur die armen Leute von Colonia Libertad. Und sie brüllten die Strolche an, mit dem Steinewerfen aufzuhören. Tatsächlich machten sie alle Anstalten, gegen die Strolche massiv handgreiflich zu werden, und das Steinewerfen hörte tatsächlich auf.
Und nun passierte eine sehr seltsame Sache. Die Menschenmenge, die armen Leute aus dem Grenzgebiet, brüllten den Barfern was zu. Sie brüllten ihnen zu: »Legt sie um! Sperrt sie ein! Jagt sie ein für allemal weg! Und dafür werden wir euch immer danken!«
Sie wußten, wer und was die Barfer waren, ganz offensichtlich. Es war verblüffend. Dann fingen sie an in die Hände zu klatschen. Sie fingen an zu applaudieren! Es passierten eine Menge verrückte Dinge in diesen Canyons, aber das hier war in den Augen der geplagten Cops mit Abstand eines der verrücktesten. In diesem seltsamsten aller Amphitheater, in dem die Barfer und die Gangster auf der Talsohle des Deadman's Canyons auf der Bühne standen und die Leute von Mexiko ihnen von den Abhängen herunter zuschauten, wurde ihnen applaudiert.
Aber dann mußte natürlich Tony Puente, ein Zyniker wie die meisten Cops, die Sache abwerten, indem er sagte: »Vielleicht freut sich da nur ne rivalisierende Gangsterfamilie, daß wir ihr die Konkurrenz vom Halse geschafft haben.«
Gelegentlich sahen die Barfer Dinge, die es gar nicht gab. An einem Abend beispielsweise schrie Ernie Salgado allen anderen zu, auf einen flüchtenden Gangster zu achten, der sich angeblich in einem Busch versteckt hatte. Alle kesselten den Busch ein. Es war gar kein Gangster drin. Es war wie an dem Abend, an dem Carlos Chacon eine Kanone gesehen hatte, die nicht existierte. Immer wieder sieht man nachts schattenhafte Phantome in den Canyons. Wer nicht ganz scharf hinguckt, sieht auch tagsüber manchmal ein Phantom.
Du willst dir beispielsweise bloß mal eben ein Karameleis aus einem Thirty-one-Flavors-Laden holen und besorgst dir eine Nummer aus dem Ticketautomaten, weil da eine lange Schlange vor der Eiskremtheke steht, und dann fällt dir ganz plötzlich ein, daß du dich schon in zwei Stunden zum Appell melden mußt und anschließend gleich diese hübsche kleine Verabredung mit deinen Mördern in den Canyons hast. Und dann spricht dich der Junge an, der die Nummern aufruft, die dran sind, und du hörst es nicht, und deshalb spricht er dich noch mal an: »Ihre Nummer ist dran!«
Und ohne jeden Grund schnappst du mit einemmal nach Luft, und der kalte Schweiß bricht dir aus, obgleich der Junge dich ja bloß gefragt hat: »Was woll'n Sie denn haben? Hot Cream? Erdbeereis?«
Oder wie wär's mal mit einer doppelten Bleiportion? Wie wär's, wennse sich Ihren Hals mal ein bißchen mit kaltem Stahl abkühlen? Aus dem Jungen am Schalter wird plötzlich der schielende Totenkopf eines Gangsters. Und du kannst sein verwesendes Fleisch riechen. Du verläßt den Laden ohne dein Karameleis.
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